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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 145
(PDF, 50 MB)
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flikte zu lösen. Nota bene verstanden sie es bestens, die Herren, die im Allgemeinen
mit den lokalen Verhältnissen wenig vertraut waren, aufgrund ihrer eigenen
Sachkenntnis gegeneinander auszuspielen42. Aus diesem Grund mochte es wohl
manchem Klosterschaffner. Ritter oder stadtbürgerlichen Landbesitzer ratsam erscheinen
, sich mit seinen Bauern gut zu stellen.

Weil die Verhältnisse nicht mehr durch personelle beziehungsweise institutionelle
Kontinuität gesichert waren, nahm die Rechtssicherheit tendenziell ab. Umso
mehr achteten gerade die Bauern darauf, ihre Rechte urkundlich dokumentieren zu
lassen, und sie wollten das betreffende Pergament oder Papier sicher aufbewahrt
wissen. Von der Mehrheit der Illiteraten (Ungebildeten) hoben sich einzelne
schriftkundige Landbewohner ab. wie beispielsweise ein Meier im Birseck43. Doch
auch die illiterati hatten auf eigene Weise Anteil an der Kultur der Schriftlichkeit.
und insofern darf nicht bloß von einer mündlichen Kultur der ländlichen Gesellschaft
gesprochen werden. Diesbezüglich verweisen die von der Literaturwissenschaft
angeregten Konzepte der Pragmatischen Schriftlichkeit auf den komplexen
Zusammenhang von Kommunikationssituation und Schriftgebrauch. Analysiert
wird die Beziehung von Reden. Schreiben. Aufbewahrung von Schriftgut. Schriftgebrauch
und Erinnerung44. So trägt das Konzept der Vokalität der Beziehung zwischen
schriftlicher Äußerung und mündlichem Austausch Rechnung und würdigt
den Umstand, wonach einst in früheren Zeiten das geschriebene Wort nicht in ers-
ter Linie gelesen, sondern gesprochen und als .Sprache der Nähe" allen Anwesenden
verkündet wurde45. Der Inhalt einer Wortfolge erschloss sich dem Zuhörenden
erst recht, wenn die Rede durch Gebärden untermalt wurde. Voraussetzung für das
Verständnis des vorgelesenen Texts war zuerst die zunehmende Bedeutung der
Volkssprache und das Ende der „Alleinherrschaft des Lateins über die Buchstaben
"46. Unter den Bedingungen einer Diktier-Vorlese-Praxis konnten sich Bauern
bei Bedarf auf das in der Volkssprache abgefasste. geschriebene Wort berufen4".
Auch nahmen sie schriftkundige Personen in Anspruch, um ihren eigenen Rechtsstandpunkt
und Forderungskataloge schriftlich zu fassen, wie das aus der Reformationszeit
bekannt, doch auch für frühere Erhebungen belegt ist48.

Suchen wir in der Literatur nach Belegen für das Prinzip der Verhandelbarkeit
von bäuerlichen Abgabe- und Leistungspflichten, so werden wir im Zusammenhang
mit Krisen und Katastrophen ohne weiteres fündig. Denn im ganzen hier interessierenden
Zeitraum existieren Belege für Zinsnachlässe. Angesichts von Pro-
duktionsrückgang und periodischen Ernteausfällen half es den Grundherren nicht,
auf ihren angestammten Sollforderungen zu beharren, es lag in ihrem Interesse,
die Bauern zu halten und ihnen entgegenzukommen - und sei es nur widerstrebend
: also noch v/7 redungen, reden und Widerreden, wie das eine zeitgenössische
Wendung ausdrückt49.

Mitunter war die Frage der Höhe der vom Niedergericht oder Vogtgericht ausgesprochenen
Bußen strittig. Die betreffenden Paragraphen der Hofrödel verweisen
auf gängige Verhaltensweisen von Hubern. nämlich die Weigerung, am Dinggericht
zu erscheinen50, und das Zinsversäumnis51. Solchem Verhalten seiner Zinser

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