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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 151
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Soziale Ungleichheit

Bezüglich der Landflucht, die man aufgrund der erwähnten Extremereignisse als
Ausweg in unlösbarer Situation sehen könnte, sind wiederum sozialhistorische Erkenntnisse
zur Migration und zur Mobilität der Bevölkerung ergiebig. Mireille
Othenin-Girard setzte in ihrer großen Studie die Migration in Beziehung zu sozialökonomischen
Vorgängen, also zu Strukturen. Demnach führten die grundherrlich
gesteuerte Austeilung hofhörigen Landes und die Sitte der Realteilung zur Zersplitterung
von Gütern in kleine, bisweilen kleinste Einheiten. Unter Umständen
schlössen sich die Betriebe von Erbengemeinschaften zu Teilgenossenschaften zusammen
, um gegenüber der Grundherrschaft als Einheit aufzutreten; sie beauftragten
einen der Ihren mit der Zinstragerei und ernannten einen Huber. der sie im
Dinggericht vertrat*4. Indessen mündete die Mobilität der Güter in durchaus gegenläufige
Bewegungen: Einerseits entstanden viele kleine Betriebe, andererseits
ermöglichte die Zersplitterung „auch eine erneute Ballung der Bruchteile in der
Hand des wirtschaftlich Stärkeren und förderte so eine soziale Differenzierung der
Landbevölkerung. Sekundäre Konzentrationen konnten außer durch Erbgang auch
durch Käufe zustande kommen"*'. Bei derartiger Güterakkumulation wurden den
betreffenden Bauern offenbar insgesamt Zinsreduktionen konzediert, während andererseits
die ärmeren Bauern durch Abgaben tendenziell stärker belastet wurden91
. Wohlhabende Bauern, die so genannten Coqs de village42. treffen wir sowohl
im unmittelbaren Basler Umland an - sei es im Birseck. im Sundgau oder im heutigen
Südbaden - als auch im Rheinfelder Hinterland, etwa in Zeglingen und
Wenslingen im Tafeljura, wo sie durch den Besitz von Viehherden hervortreten43.
Ihre Familien lassen sich teilweise über viele Jahrzehnte kontinuierlich in den
Quellen nachweisen, einige davon auch als Meier: ihre wirtschaftliche Potenz erlaubt
ihnen unter anderem, gegenüber kirchlichen Institutionen als Zehntpächter
aufzutreten44 und großzügige Kirchenstiftungen zu tätigen95.

Inzwischen konnten wir die Jahrzehnte dauernde Kontinuität begüterter Bauernbetriebe
nachweisen. In mindestens 10 Prozent der Erbfälle wurde die Hofübergabe
durch die Frau sichergestellt, wie Gilomen nachweist: Mithin erfolgte der intergene-
rationelle Transfer von Gütern auch über die Frauen, seien es Witwen oder Töchter.
In den Zinsbüchem und Urbaren figurieren sie als Betriebsleiterinnen'*. Ehefrauen
und Witwen traten als verantwortliche Haushaltvorsteherinnen auf. sie leisteten, wo
gefordert, mit ihren Ehemännern. Kindern. Mägden und Knechten Frondienst, und
wir finden sie in den birseckischen Steuerlisten als Steuerzahlerinnen97.

Mit dem Erbrecht war auch das Recht der freien Veräußerung und Verpfändung
verbunden4*, von dem die Bauern im Spätmittelalter regen Gebrauch machten.
Weil sich die seit dem 13. Jahrhundert nachweisbare bäuerliche Verschuldung verschärfte
, muss diesbezüglich von einem Krisensymptom gesprochen werden.
Durch die Aufnahme von Krediten belasteten Bauern ihre Lehengüter mit Rentenabgaben
, verpfändeten oder verkauften ihr Gut. und es mehrten sich auf dem Land
die bürgerlichen Investitionen auf dem Bodenmarkt49. Dazu kam es. wie Gilomen

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