Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 153
(PDF, 50 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2007-02/0155
um Zinserlisten und Hofrekonstruktionen zu erstellen. Menschen, die aufgegeben
haben und fortgezogen sind, überzählige Geschwister, die beim Erbgang nicht zum
Zuge kamen (trotz der Realteilungssitte). Mägde und Knechte auf fremden Höfen
sind aus der Optik der grundherrlichen Verwaltung nicht erwähnenswert. Sie sind
sozusagen auf leisen Sohlen abgezogen - auch das ist eine Handlungsweise, die
sich allgemein in der hohen Mobilität der mittelalterlichen Gesellschaft ausdrückt.
Doch stellte Migration auch für die begüterten Bauernfamilien eine Handlungsoption
dar. besonders in akuten Krisen- und Kriegssituationen. Dementsprechend hat
das Thema Flucht in den Zinsbüchern. Weistümem und Gerichtsquellen einen Niederschlag
gefunden, wenn die Hofstätten verlassen waren, die Äcker wüst lagen
und die Herrschaft den Ausfall der Renteneinkünfte beklagte und befürchtete, die
Geflohenen könnten für immer wegbleiben oder, wie es ein Zeitgenosse ausdrückt:
Sie fürchteten, ir etlicher müsten lantrümig werden^.

Unter den vielen Fehden und Kriegszügen hatte die Landbevölkerung außerordentlich
zu leiden, man denke nur an die Schindereinfälle von 1444, an die im Zusammenhang
mit dem Krieg um das Toggenburger Erbe stehenden Fehden zwischen
den Eidgenossen und den Österreichern (1111 1446). den Mülhauser Feldzug
1468. die Burgunderkriege und den Schwabenkriegm. Brandschatzungen.
Viehraub, wie ihn die Kriegsparteien im Oberbaselbieter Jura geradezu systematisch
durchführten108, das Abernten und die mutwillige Zerstörung der Felder zogen
die Dörfer schwer in Mitleidenschaft. So war Kembs durch die Schinder völlig
heruntergekommen, also das nitt vber zwey oder drü hüser zuo Kemps wa-
rendm. Der Meier von Kleinkems. der eine Fähre über den Rhein betrieb, war gehalten
, die Leute von Großkems. sofern sie zur Flucht genötigt waren, über den
Rhein zu führen110.

Bisweilen entschieden sich die Gemeinden oder die Dorfvorsteher für eine kollektive
Fluchtaktion; in der Notsituation wurden bestehende Kontakte zu den Städten
und Kleinstädten genutzt, die Menschen suchten den ihnen vertrauten, möglichst
nahe liegenden Zielort auf. Während 1444 Flüchtlinge aus Sundgauer Dörfern
, aus dem Leimental. dem Birstal aus Aesch. Muttenz. Münchenstein und
Oberwil in Basel Aufnahme fanden, wandten sich die Pratteler. wie gewohnt, an
das Amtsstädtchen Liestal111. In einer gerichtlichen Kundschaft berichtet später ein
Zeuge: Dan yewelten gebrückt, wenn sich vintschajft. vehde oder krieg erhaben, so
haben die von Brattlen ir flucht als ander umsessen umb Liestall daselben hin gon
Liestal gefiept112. Einwohner aus dem Sisgau waren damals von Graf Hans von
Falkenstein aufgefordert worden, in die österreichischen Städte Rheinfelden. Sä-
ckingen. Laufenburg zu fliehen. Andere flohen in baslerisches Territorium, was nur
durch Basels neutrales Verhalten möglich war. Vorsorglich stellte der Rat jedoch
sicher, dass sie nicht zur politischen Belastung wurden, und ließ sie einen Gehorsamseid
schwören113.

Wenn die Forschung aufgrund der skizzierten Entwicklunsen insgesamt zur
Feststellung kommt, die spätmittelalterliche ländliche Gesellschaft habe sich stärker
differenziert und die sozialen Unterschiede seien größer geworden, so könnte

153


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2007-02/0155