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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 158
(PDF, 50 MB)
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wie in der Mitte des 15. Jahrhunderts oder in städtischer Hand wie ab 1461. Auch
im Fürstbistum Basel fiel in Fällen unlösbaren Streits in der Gemeinde oder zwischen
Nachbardörfern der Obrigkeit „die Rolle der vermittelnden oder urteilenden
Instanz"' zu129. Zweitens bezeugen die überlieferten gerichtlichen Zeugenaussagen
den hohen Stellenwert von Ehre bei den Bauern, wobei die Männer ihre Ehre
durchaus gewaltsam verteidigen: die Mittel reichen von der Ohrfeige, dem ..versehentlichen
" lebensgefährlichen Hantieren mit der Sense über (organisierte?)
Schlaghändel und Massenschlägereien bis hin zu Fehde und Mord130. Indessen
wird über die belastendsten Ereignisse, nämlich die Tötung von Dorfbewohnern,
vor Gericht geschwiegen. Denn sofern die Täter einflussreich sind und der
Dorfehrbarkeit angehören, herrscht das „Gesetz der omertä*' (Schweigepflicht).
Ein anderes ungeschriebenes Gesetz besagt, dass Bauern in gerichtlichen Kundschaften
durchaus im Sinne ihres Herrn aussagen, sofern es in der strittigen Angelegenheit
nur um dessen Interessen gegenüber Dritten geht.

Gekränkte Ehre könnte geradezu eine Schlüsselerklärung für die nahezu hundert
Jahre dauernde latente Verstimmung zwischen Dörflern und ihrer Herrschaft in
Pratteln liefern. Ein Vorgang der 1430er Jahre hatte vermutlich einige Männer aus
Pratteln zutiefst gekränkt und ihre Beziehung zu den Herren von Eptingen nachhaltig
gestört: Junker Heintzman von Eptingen hatte Untertanen gezwungen, einen
verurteilten Pferdedieb namens Ortleder an einen Nussbaum zu hängen und ihnen
damit unehrliche Arbeit zugemutet131. Wegen einer politischen Störung hatte sich
nämlich Basel damals geweigert, dem Eptinger den Nachrichter für die Urteilsvollstreckung
auszuleihen, wie aus einer gerichtlichen Zeugenaussage zu entnehmen
ist (der Zeuge ist bezeichnenderweise kein Pratteler. sondern stammt aus dem
Nachbardorf und ist vermutlich Bärenfelsischer Untertan!). Dieser bis in die Frühe
Neuzeit wiederholt auftretende Sachverhalt ist bedeutsam, weil er auf eine
Schwachstelle der adeligen Herrschaften - seien es die Thiersteiner, die Ramsteiner
, ja selbst der Basler Bischof - verweist: Da sie über einen rudimentären Verwaltungsapparat
verfügten, waren sie unter anderem für die Urteilsvollstreckung
von Bluturteilen auf die gutnachbarliche Hilfe der Städte angewiesen132. In Ergänzung
zu Claudia Ulbrichts These zur Bedeutung der Leibherrschaft ist festzuhalten:
Der Einfluss des werdenden Territorialstaats steigert sich über die Ausdehnung
landeshoheitlicher Befugnisse und über die Durchführung von Hochgerichtsprozessen
in kleinen Adelsherrschaften.

Was war nun zwei Generationen nach der traumatischen Erfahrung der Hinrichtung
Ortleders geschehen, dass es 1467 zum Aufstand der Pratteler gegen ihren
natürlichen Herrn1'- kam? Pratteln war bis dahin Kondominium, gemeinsam verwaltetes
Herrschaftsgebiet, von mehreren Zweigen der Familie der Eptinger gewesen
. Diese mächtigen österreichischen Vasallen fochten im 15. Jahrhundert mit den
Trägern der landgräflichen Gewalt im Sisgau Kämpfe um die hohe Gerichtsbarkeit
und die Blutgerichtsbarkeit aus: sie behaupteten erfolgreich, ihre Herrschaften
seien von der Landgrafschaft exemt, d. h. von der landgräflichen Gerichtsbarkeit
befreit, und sie selbst hätten die Blutgerichtsbarkeit inne. Ihre Leute seien nicht

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