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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 162
(PDF, 50 MB)
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unter Konzilsteilnehmern allfällig ausgetauschten Meinungen über Fragen von
Schadenzauber und Häresie beeinflusst waren, ist beim heutigen Forschungsstand
nicht bekannt, ebenso wenig, ob sie von den Verfahren gegen „Hexen" in der Westschweiz
, im Aostatal und der Dauphine Kunde hatten158.

Im übrigen sind die Verfolgungen angeblicher Hexen nur ein Aspekt der in dieser
Zeit herrschenden sozialen Unrast, gleichzeitig sind sie Ausdruck gestörter Geschlechterbeziehungen
; denn die meisten Opfer waren Frauen. In Zeiten der Verfolgung
dürften sich somit deren Handlungsspielräume verändert, wenn nicht sogar
verengt, haben. Zu fragen, warum das so sein könnte, ist hier nicht der Ort.
doch sei die These vorgebracht, dass Frauen mit fortschreitender Institutionalisierung
gemeindlicher Kommunikation und Entscheidfindung aus den nunmehr in
den Gemeindegremien stattfindenden Meinungsbildungsprozessen ausgeschlossen
wurden: wenn nämlich die Gremien ihre Autorität nach innen und nach außen wirkungsvoll
behaupten wollten, so musste ihnen die informelle Art der Kommunikation
, wie sie Frauen praktizierten, obsolet erscheinen. Eine solche Entwicklung
wäre als Begleiterscheinung des Kommunalismus zu berücksichtigen.

Zusammenfassend seien einige wenige Entwicklungszüge der ländlichen Gesellschaft
des Spätmittelalters skizziert. Seit der Wende zum 14. Jahrhundert waren
Bauern und Grundherren häufig gezwungen, von vorne zu beginnen und nach
Kriegsverwüstungen, Überschwemmungen und anderen einschneidenden Ereignissen
Wiederaufbauarbeit zu leisten. Der demographische Einbruch durch die
Pestpandemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts und die wiederholten Pestzüge der
Folgezeit bewirkten, dass Produktion und Nachfrage aus dem Gleichgewicht gerieten
und dass sich die Marktchancen für die Getreideproduzenten langfristig
kaum verbesserten. Erschwerend wirkte der Faktor der Klimaschwankungen wie
etwa der Starkregen vom Sommer 1342, die sich insgesamt ungünstig auf die
Agrarproduktion auswirkten. Die Untersuchungen über die Besitzverhältnisse auf
dem Land deuten darauf hin, dass sich die sozialökonomischen Unterschiede auf
dem Dorf akzentuierten und viele Indizien liefern für die Abwanderung (unterprivilegierter
) Menschen. In dieser Situation waren die dadurch wirtschaftlich betroffenen
Herrschaften bestrebt, ihre Bauern zu halten und die Abwanderungstendenz
durch die Intensivierung von Leibherrschaft abzubremsen. Dabei stießen sie mitunter
auf Widerstand der Untertanen, der sich in wenigen Fällen zum Aufstand
steigerte. Insgesamt aber zeigt sich, dass die Bauern die hergebrachte Herrschaftsordnung
nicht grundsätzlich in Frage stellten. Vielmehr versuchte sich die Gesellschaft
stets neu zu stabilisieren, durch Kommunikation und spannungsreiche Kooperation
zwischen Herrschaft und Bauern. Indessen kündigt sich zu Beginn der
Neuzeit eine Neudefinition dieser Herrschaftsbeziehung an; denn mit dem Ausbau
der hoheitlichen Befugnisse der Landesherrschaft war langfristig eine Verengung
der bäuerlichen Handlungsspielräume verbunden.

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