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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 261
(PDF, 50 MB)
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reichen Stadtämter aus - Bürgermeister (Weiß). Schultheiß (Weber) und Stadtrat
(Boll. Zipper). Nur der Schultheiß Weber war aus Freiburg zugezogen, die anderen
entstammten alteingesessenen Neuenburger Familien. Es bewahrheitet sich hier,
was auch für andere Städte festgestellt wurde: Die Wohlhabenderen kehrten nach
den Kriegszerstörungen zurück, um ihre Güter wieder in Besitz zu nehmen. Die
Besitzlosen dagegen hatten sich in der Zwischenzeit oft anderweitig eine Arbeit
gesucht - sie hatten nichts zu verlieren53.

Insgesamt lässt sich Folgendes feststellen: Der Lebensnerv Neuenbürgs war
durch die Rheinüberschwemmungen und die Kriege nachhaltig getroffen. Negativ
wirkte sich ferner die isolierte Lage der vorderösterreichischen Stadt aus - umgeben
und bedrängt von fremden Herrschaftsgebieten, fern vom Landesherrn - sowie
die gefährdete Lage am Oberrhein, dem deutsch-französischen ..Kriegsgarten
'*, wie Christian Greiner ausführte. Die einstige Größe wurde nicht mehr erreicht
. Durch die Kriegszerstörungen und den Abgang Adliger und reicher Kaufleute
verarmte Neuenburg und verlor an Einfluss. Bürger und Rat pochten weiterhin
auf ihre verbrieften Rechte und realisierten die veränderte politische Konstellation
nicht: den Rhein als Grenze, den Verlust ihres linksrheinischen Besitzes, die
Schwäche des Kaisers gegenüber Frankreich. Die Stadt wollte auch weitere Veränderungen
nicht wahrhaben: den sozialen Wandel, das (erforderliche) Neben- und
Miteinander der Konfessionen und die (anzustrebende) Solidarität mit Gemeinschaften
in der Region. Vom Kaiser erhofften sie sich vergeblich die Wiederherstellung
ihres alten Status, ihrer Jahrhunderte alten Rechte und Freiheiten. Die verzweifelten
Bemühungen lassen auf fehlendes Realitätsbewusstsein der einflussreichen
Schicht und auf Verkennen des historischen Wandels schließen, denn die
bisherige ..traditionalistische Alltagserfahrung"' existierte nicht mehr - die alten
Strukturen waren aufgebrochen54. Durch den wirtschaftlichen und sozialen Abstieg
traten Bildung und Kultur in den Hintergrund, wie am Fehlen einer Schule zu sehen
ist; die Stadt hatte ihre einstige Bedeutung eingebüßt.

Negativ wirkte sich das schlechte Verhältnis zwischen Pfarrer und Bürgermeister
aus sowie die Günstlingswirtschaft, die auch nach der Rückkehr in die Stadt florierte
. Die Querelen innerhalb des Rats zwangen schließlich die vorderösterreichische
Regierung zum Eingreifen55. Trotz allem hat sich bei der Bevölkerung
durch das Kollektiverlebnis Kries. Exil und Not ein neues Zusammensehöriskeits-
gefühl entwickelt. Wie wir anhand der Namenstabelle sehen konnten, blieb eine
erkleckliche Zahl von Familien Neuenburg treu - bis heute. Sie verliehen „ihrer"
Stadt eine neues Selbstbewusstsein.

Neuenburg erlebte weiterhin krisenhafte Zeiten, verlor 1789 endgültig seine
linksrheinischen Besitzungen und wurde im Zweiten Weltkrieg zum dritten Mal
fast völlig zerstört. Die Erinnerung an all die natürlichen und politischen Katastrophen
wurde im Bewusstsein der Menschen wach gehalten, durch das Kruzifix von
1520 und die 1715 wieder aufgebaute Heilig-Kreuz-Kapelle. Als neuestes Denkmal
figuriert der Stadtbrunnen vor dem Rathaus. Sie alle tragen dazu bei. eine neue
Solidarität und kommunale Identität zu erzeugen56. Durch sie wird die Erinnerung

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