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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
70.2008, Heft 2.2008
Seite: 91
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Auszüge aus dem „Codex Calixtinus" (12. Jahrhundert)

Setzt man sich mit der Geschichte des Pilgerns auseinander, so wird man
immer wieder anschaulich mit dem Lebensalltag des Mittelalters konfrontiert
. Ganz ausführlich beschreibt der „Codex Calixtinus" (12. Jahrhundert),
das erste Buch, das sich mit der Pilgerschaft nach Santiago beschäftigt, die
Gaunereien, mit denen sich die frommen Pilger herumzuschlagen hatten. Einige
Auszüge aus diesem Buch mögen das veranschaulichen:

Von den falschen Beichtvätern

Was soll ich über die falschen Beichtväter sagen? Gewisse Heuchler, die
von bösen Dämonen beherrscht sind, trifft man als Kleriker oder Laien, jedoch
im Priestergewand, äußerlich sanft wie Schafe, innerlich aber wild wie
Wölfe, auf den Wegen von Vezelay, Santiago, St. Gilles und Jerusalem; sie
erlegen den Pilgern oder anderen Sorglosen falsche Bußen auf. Zunächst gehen
sie ein Stück gemeinsam des Weges und halten erbauliche Vorträge, zählen
alle Laster nacheinander auf; dann sprechen sie mit jedem Einzelnen von
ihnen getrennt und fragen jeden im Geheimen nach seinem Gewissen und
den begangenen Sünden. Bald nachdem diese alles bekannt haben, erlegen
sie dem einen dreißig, dem anderen dreizehn Messen für jedwede Sünde als
Buße auf. Dann sagen sie dem Pilger: „Lass im Gedanken an die 30 Münzen,
mit denen der Herr verraten wurde, dreißig Messen lesen, und zwar von den
dreißig besten Münzen, die du besitzt; allerdings von Priestern, die nie etwas
mit Frauen hatten, weder Fleisch gegessen, noch je etwas zu eigen besessen
haben.'4 Weil aber jener nicht weiß, wo er so einen Priester finden könne, gibt
er dem Priester dreißig Münzen, der für ihn einen solchen zu finden verspricht
. Der Empfänger kümmert sich nicht um das Heil des Sünders, sondern
steckt das Geld in die Tasche und gibt es mit Überschwang aus. Vor diesen
Leuten muss man sich wie vor hungrigen Wölfen vorsehen.

Von betrügerischen Bettlern

Was soll ich von denen erzählen, die eine angebliche Krankheit vortäuschen
und am Weg des hl. Jakobus oder anderer Heiliger sitzen, um sich den
Vorüberziehenden zu zeigen? Manche weisen mit Leidensmienen auf ihre
Beine und Arme hin, die sie entweder mit dem Blut eines Hasen bestrichen
oder durch die Asche einer Pappel abgeschürft haben, um den Vorbeigehenden
, begierig wie sie sind, ein Almosen zu entlocken. Andere färben ihre
Lippen oder Wangen schwarz, weitere haben Palmen und Mäntel aus Jerusalem
, bemalen ihre Gesichter und Hände mit Beeren aus den Wäldern, damit

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