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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2009-01/0052
der wirklich nichts mehr zu geben hatte, erschossen oder einem anderen den berüchtigten
„Schwedentrunk" einflößten. Für sie machte es keinen Unterschied, ob
sie durch reguläre kaiserliche oder französische Soldaten oder von Marodeuren
malträtiert, gepeinigt, gedemütigt, geschlagen oder vergewaltigt wurden - der Hass
auf jede Form soldatischer Erscheinung wuchs ins Unermessliche und bald war
„jeder Soldat des Bauern schlimmster Feind". Oft genügte dann ein einziger Übergriff
- wie der Abtransport der letzten Körner von der Getreidesaat für das nächste
Frühjahr oder das mutwillige Abbrennen des Wohnhauses im Winter - um zu dem
Tropfen zu werden, der das Fass zum Überlaufen brachte. Und so fingen die Bauern
an, sich zunächst gegen Marodeure zu wehren: Es kam immer häufiger zu tödlichen
Übergriffen, vor allem dann, wenn kleinere Gruppen einer marodierenden
Soldateska auf Beutezug waren.86) Waren es anfänglich nur Marodeure, traf es später
auch reguläre Soldaten.

Taktisch klug in Form einzelner, aber sehr schmerzhafter „Nadelstiche", rotteten
sich - zuerst spontan, dann aber auch organisiert - die Bauern zusammen, die nicht
mehr bereit waren, die Plünderungen, Brandschatzungen und Kontributionen ihrer
Dörfer und Höfe widerstandslos hinzunehmen. Ausgehend vom Dreißigjährigen
Krieg entwickelte sich diese besondere Form des gewaltsamen zivilen Widerstandes
weiter und taucht in allen nachfolgenden Kriegen - bis hinein ins 21. Jahrhundert
- immer wieder auf.

Abschätzig als „Schnapphähne" bezeichnet - der Begriff geht ursprünglich auf
die Bezeichnung für Raubritter und berittene Wegelagerer im Mittelalter zurück,
wurden die „Schnapphähne" aber nicht nur im Spanischen Erbfolgekrieg sehr
wohl auch als reguläre Sondereinheiten (vorwiegend Husaren) agierende, kleine
berittene Stoßtrupps87) eingesetzt - wurden jedoch diese Bauern, vergleichbar mit
den späteren Partisanen und Guerillas, schlechthin der Alptraum für alle regulären
Truppen und ein angstvoll gefürchteter Gegner. Da sie ihr Land bis in den letzten
Wald- und Wiesenwinkel kannten, war es ihnen ein Leichtes, optimale Hinterhalte
zu legen, um dort den Soldaten - gleich welcher Kriegspartei angehörend - aufzulauern
. Sie wurden in Überzahl von den Bauern angegriffen und gnadenlos erschlagen
. Auch Kneusslin berichtet in seiner Gersbacher Chronik von mehreren
tödlichen Zusammentreffen zwischen Marodeuren und Zivilisten, so auf dem
„Scherentann" und am „Rauschbach".88))

Kneusslin berichtet aber auch von ganz anderen Bedrohungen. So von Scharmützeln
„bei denen mehrere hiesige Bürger von den Hinterhäghlern und denen im
Zellerthal erschossen worden". Denn Gersbach und Zell waren lebensgefährliches
Grenzland zwischen der evangelisch-baden-durlachischen Markgrafschaft und
dem katholisch-habsburgisch-vorderösterreichischen Reichsterritorium. Nach der
Glaubensspaltung im Innern religiös abgrundtief getrennt, einte nur der von außen
angreifende gemeinsame Feind Frankreich die „ungläubigen Ketzer" mit den
,,wahren Gläubigen''.

Uns trennen somit lediglich dreihundert Jahre von jenen aktuellen schweren
Konflikten, die, wie im Irak und anderen weltpolitischen Brennpunkten, ihre ei-

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