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wehre, und eine professionelle Ausrüstung sehr teuer und für die meisten Bauern
unerschwinglich waren.
Eine Ausnahme bildete die Berufsgruppe der Jäger, die für eine erfolgreiche
Jagd tagtäglich Waffen einsetzen mussten. Da sie deshalb gerade mit Feuerwaffen
sehr gut umgehen konnten, waren sie als erfahrene und praktizierende Waffenkundige
auch beim Militär begehrte Schützen. Nicht umsonst kennt man in der Militärsprache
und den speziellen Truppenteilen bis heute noch die Bezeichnung z. B.
Gebirgs- oder Feldjäger. Auch bei den regulären Truppen gehörte das Gewehr keineswegs
schon zur Grundausrüstung. Noch 1698 ließ Markgraf Ludwig Wilhelm
seine Fußtruppen mit Hellebarden ausstatten, also jenen Spießwaffen, wie sie bereits
1386 von den Eidgenossen in der Schlacht zu Sempach erfolgreich gegen die
habsburgischen Ritter eingesetzt wurden.95)
Kein Wunder also, dass die im Gebrauch von Kriegswaffen unerfahrenen Bauern
angesichts heranrückender Soldaten oft lieber „Fersengeld" gaben und zum
Leidwesen der Militärs kampflos das Weite suchten. So war nicht nur beim
Schanzen das Desertieren an der Tagesordnung - trotz angedrohter und auch
häufig praktizierter schwerer Strafaktionen. Das Desertieren von der „Schanzwache
" wurde jedoch noch härter bestraft, da es unmittelbar unter das Kriegsrecht
fiel.
Einen Sonderstatus in unserer benachbarten Region nahm der „Hauensteiner
Landfahne" ein, einer vom Kaiser in Wien - trotz ihrer aktiven Rolle während des
Bauernkrieges 1525 - ausdrücklich anerkannte „Bauernmiliz" auf dem Hotzen-
wald (aber z. B. auch zuständig für den Raum Todtmoos und Schönau), die im
habsburgisch-vorderösterreichischen Reichsgebiet besondere Privilegien und eine
paramilitärische Ausbildung genoss.
In den Städten wie Schopfheim entwickelte sich schon relativ früh im Rahmen
der bewaffneten Bürgerwehr eine erste „Schützengesellschaft" (1556), in der auch
das Schießen mehrmals in der Woche geübt wurde.96)
Als Bauer jedoch weder im professionellen Gebrauch einer Kriegswaffe geübt
noch mit einer echten Feuerwaffe vertraut, setzte dieser notgedrungen einfach seine
gewohnten Werkzeuge des Alltags als Waffen ein, denn es hieß, dass er „ ...mit
habendem Gewehr, in dessen Ermangelung mit Hacken, Schaufeln und Gabeln
und dergleichen Instrumente an das assignierte Ort oder Sammelplatz laufen
solle".97) So wurden aus einfachen Werkzeugen Waffen: Ein schweres Beil, eine
handliche Axt, eine auf einem langen Holzstiel „aufgepflanzte" Sense, einen eisernen
Kirschenhaken, um Berittene vom hohen Ross zu holen, ein Hanfseil mit
würgender Schlinge, eine leicht führbare Mistgabel mit spitzen Zinken, oder ein -
im doppelten Sinne des Wortes - scharfes Schlachtermesser.
Gerade solche Arten von umfunktionierten Werkzeugen waren bei den Soldaten
gefürchtet: Denn sie verursachten schwere und schlecht heilende Fleischwunden
und bedeuteten oft einen qualvollen Tod. Denn auch die militärisch-medizinische
Versorgung durch die „Feldscherer" war unzureichend: Wenn überhaupt, dann waren
sie oftmals nur kurz bei einem „Scherer" (Wundarzt) oder „Bader" (Leiter ei-
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