http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2009-02/0081
inspektor Wilhelm Jeremias Müller (1725 - 1801) den Ton angab. Schon vor der
Errichtung des neuen Wintersweiler Kirchenschiffs war Müller beim Kirchenbau
im Markgräflerland planerisch tätig gewesen: Rolf Brüderlin bringt mit W. J. Müller
in Verbindung: die Gotteshäuser in Wieslet, Tegernau, Hauingen, Wittlingen,
Kaltenbach, Maulburg, Hertingen, Gersbach, Hasel, Schallbach und Weil41. Auch
für Gresgen lieferte Müller den Plan42.
Bei der Wintersweiler Kirche ist Müllers Handschrift nicht zu verkennen, wie
insbesondere ein Blick auf zwei von ihm entworfene Karlsruher Bauten zeigt. Bei
den Flankengebäuden des Karlsruher Zeughauses entdecken wir, ebenso wie beim
(abgebrochenen) Hof gärtnerhaus, eine frappant ähnliche Putzgliederung wie in
Wintersweiler, beide Male mit den genuteten Doppellisenen (die am Chor der Kirche
den geknickten Lisenen entsprechen) und den in Karlsruhe und Wintersweiler
gleich geformten Putzspiegeln unter den Erdgeschossfenstern. Auch sind die Fensterbänke
in Wintersweiler ähnlich gestaltet wie beim Jagdzeughaus.
Müller war Baumeister zwischen Barock und Frühklassizismus (in der Spielart
des ,,Louis-seize"-Stiles). Bei den Kirchen im Markgräflerland machte Müller den
Schritt zum Frühklassizismus eindeutig mit der Wittlinger Kirche (1772 - 1774).
In der Kreisbeschreibung wird unsere Kirche bereits dem „Louis-seize" zugeordnet43
. Es spricht aber nichts dagegen, in ihr noch einen spätbarocken Bau zu sehen.
Bei einer betont evangelisch-schlichten Dorfkirche wird man eigentlich eine
eher karge Innenausstattung erwarten. Es war deshalb eine große Überraschung,
als man nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Reparatur (1948 - 53) der 1940
schwer von Granaten getroffenen Kirche umfangreiche Wandmalereien entdeckte,
deren Restaurierung durch Jürgen Brodwolf und Adelheid Überwasser 1956 abgeschlossen
wurde44: (Christus mit den 12 Aposteln, Christus am Kreuz in Rocaille-
rahmung. Verlorengegangene Spruchtexte wurden später ergänzt.) Als man dann
1973/74 noch die originale Ausmalung der Maulburger Kirche freilegte, musste
man das Bild von der reformatorischen Askese der Kirchenausstattung revidieren.
Späteres Übertünchen hatte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein einen falschen Eindruck
vermittelt. Die Wandmalereien in Wintersweiler waren bald nach der Fertigstellung
des Neubaues von einem Maler aus dem schweizerischen Liestal, Johann
Jakob Stutz, geschaffen worden. Er erhielt dafür 76 Pfund Lohn45. Stutz hatte sich
zuvor schon bei der Ausmalung der Wiesleter Kirche bewährt und 1758 auch in
der Wollbacher Kirche gearbeitet46.
Der Turm stammt noch von der mittelalterlichen St. Oswald-Kirche47, die 1402
erstmals in den Urkunden erscheint. Er hat nicht den massigen Charakter der
Kirchtürme wie z.B. die in Mappach, Egringen, Tannenkirch oder Schopfheim,
sondern lässt sich eher mit dem schlankeren Blansinger oder Schallbacher Turm
vergleichen. Wie bei diesen handelt es sich in Winters weiler um den Typ „Westturm
mit Eingangshalle", anders als bei den anderen genannten Beispielen, bei denen
im Erdgeschoss des Turmes der Chor untergebracht ist (Typ „Chorturmkirche
"), weshalb solche Türme - anders als in Wintersweiler - auch immer im Osten
an das Schiff anschließen.
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