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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 1.2010
Seite: 78
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-01/0080
dahier", schrieb das Bürgermeisteramt Minsein ans Bezirksamt. „Nachdem man
aber sah, in welchen Verhältnißen diese Person stund, so wurde erwogen daß es
beßer seie wenn dieselbe gänzlich fortgeschafft würde in dem man voraussah daß
diese Person der Gemeinde noch weit größere Kosten aufladen könnte." Man handelte
rasch, zumal Frau Soder schon einen Vertrag mit einem Agenten abgeschlossen
hatte, der lediglich einen Heimatschein und keinen Reisepass des Innenministeriums
verlangte. Die Zeit drängte, man gab ihr etwas Geld „und somit ist nun
Genofeva Soder aus ihrer Heimathsgemeinde ausgewandert, ohne daß zu befürchten
steht, daß sie je wieder zurückkehren werde."27)

Aus Karsau sind folgende Fälle aktenkundig: 1851 spedierte man Jacob Biehler
und Agatha Rietschle mit acht unehelichen Kindern nach Nordamerika. Das Paar
war für die Gemeinde und insbesondere dem Pfarrer ein Stein des Anstoßes. Letzterer
befürwortete eine bisher nicht erteilte Heiratserlaubnis, doch der Gemeinderat
lehnte diese Bettelhochzeit ab und schob das Paar lieber nach Amerika ab. Der
Säckinger Oberamtmann konstatierte nach dessen Abreise befriedigt: „Ueberhaupt
hat die Gemeinde für die Auswanderung armer herabgekommener zum Theil in
schlechtem Rufe stehenden Familien außerordenthlich viel gethan. (...) Bei allen
Anlässen wurden die Gemeindebehörden zur Durchführung dießer Maaßregel aufgemuntert
." Auch im darauffolgenden Jahr verwendete die Gemeinde 100 fl. für
die Unterstützung von Auswanderern und war nun vorläufig „gesäubert" (Oberamtmann
), u.a. auch von dem „Schnappstrinker" Johann B.28)

Neben den oben behandelten Personen bemühten sich die Gemeinden auch, sich
von der Verantwortung für andere unliebsame Menschen zu befreien. Dazu gehörte
z.B. der ledige Sebastian Brombach aus Karsau, der wegen Schuldenmachens
„mundtot gemacht", also entmündigt und dann auf Gemeindekosten nach Amerika
spediert wurde. Auch der wegen Geistesschwäche entmündigte Fridolin R., der
zwar „sparsam und arbeitsam" sei „und während derselbe bei fremden Leuten in
Diensten stund, mehr Bildung und Aufklärung für seinen Beruf als Mensch geno-
sen", nahm den Weg über den Ozean.29)

Aus Herten ging die ledige Katharina Roniger mit ihrer 20-jährigen Tochter
1864 mit Unterstützung der Gemeinde allein nach Amerika.30)

In Eichsei gab es die 32jährige Juliana Renn (Ränn), die auf Gemeindekosten
lebte. Sie erschien im April 1854 auf dem Bezirksamt in Schopfheim und erklärte,
dass ihr Vermieter ihre Kleidung genommen habe, weil die Gemeinde seine Kostgeldforderung
nicht beglichen habe. Sie sei nun obdachlos, habe nichts zu essen,
und die Gemeinde habe ihr gesagt, man warte nur noch auf den Pass, dann könne
sie auswandern. Der Fall Renn scheint schon öfter auf dem Schreibtisch des
Schopfheimer Oberamtmanns gelandet zu sein, denn seine Reaktion fiel etwas ungehalten
aus: „Man hat es endlich vollauf satt, dadurch ständig behelligt zu werden
, daß vom Gemeinderath nicht die nothwendigen Maßnahmen ergriffen werden
. Auch scheint der Juliana Ränn bezüglich der Auswanderung mehr gesagt worden
zu sein als geschehen ist, denn ein Antrag dieselbe auf Gemeindemitteln auswandern
zu lassen, ist uns noch nicht zugekommen, insbesondere ist es aber sehr

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