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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 1.2010
Seite: 79
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-01/0081
auffallend, daß der Gemeinderath auch über gar nichts berichtet." Der Gemeinderat
wehrte sich mit dem Argument, man habe mit dem Vermieter keinen Vertrag
über die Übernahme des Kostgeldes abgeschlossen und man vermute, dass „dieselben
mitanda die Gemeindekasse prellen" wollten. Der Renn sei eine Anweisung
ausgehändigt worden, mit der sie bei der Gemeindeverwaltung acht Tage lang je
10 Kreuzer abholen könne. Sie aber habe „das Beleg wieder zurückgegeben, mit
der Antwort, daß sie sich mit 10 er nicht erhalten könne; da wurde beschloßen
wenn sie dieses nicht annehmen werde, so soll sie sich selbst erhalten, wie auch
viele andere, den 9. d. M. hat sie die Anweisung wieder verlangt, und man hat sie
ihr gegeben." Juliana Renn sei faul, lügnerisch und arglistig und „will nicht arbeiten
auf dem Feld, wie es hier Arbeit giebt (...) sie springt lieber im Ort herum,
als wenn sie ein großes Vermögen hätte."

Der Vermieter und Kostgeber, Schreiner Anton Brugger, erhielt schließlich von
der Gemeinde 6 Gulden 56 Kreuzer Kostgeld, weil er geltend machte, dass „die
Renn krank aus dem Auslande kommend zu ihm um Verpflegung und Wohnung
gekommen sei." Das Geld zur Beförderung der Frau im Jahre 1854 nach Amerika
musste sich die Gemeinde Eichsei beim Kirchenfonds leihen. Diese Investition
schien sich auf lange Sicht zu rechnen.31)

Der Fall Renn verdeutlicht einerseits die Überforderung, in der sich eine finanzschwache
Gemeinde im 19. Jh. befand, die für ihre Armen aufkommen musste.
Diese Pflicht war mit dem Heimatrecht verknüpft. Andererseits wirft er das Licht
auf eine kranke Frau und ihren Status als Schmarotzerin der Dorfgemeinschaft. Ob
ihre Not nun selbstverschuldet oder ob sie ein Opfer der Verhältnisse war, lässt
sich wie in vielen anderen Fällen nicht mehr rekonstruieren.

In der Gemeinde Adelhausen entledigte man sich Mitte des Jhs. der „Müller-
schen Weibspersonen". Es handelte sich um mehrere Schwestern mit unehelichen
Kindern und der 50-jährigen Mutter und Großmutter. Diese Menschen waren auf
Unterstützung angewiesen und wurden reihum bei den Bürgern Adelhausens einquartiert
. Wahrscheinlich war die Gemeinde zu arm, um ihnen eine Unterstützung
zu gewähren. Dieser Zustand war für beide Seiten mit Sicherheit sehr unangenehm
, so stimmten auch sämtliche auf einer Bürgerversammlung am 2. August
1851 erschienenen Bürger Adelhausens (92 von 125) für die Abschiebung auf Kosten
der Gemeinde. Die „Müllerschen Weibspersonen" wollten ebenfalls fort.

Eine der Schwestern, die 23-jährige Johanna, wurde im Oktober 1851 in Müllheim
aufgegriffen und wegen „Herumziehens" bestraft. Danach bemühte sich die
Gemeinde energischer, die gesamte Familie abzuschieben. Doch fand man im
Spätjahr 1851 keinen Agenten mehr, der die Auswanderer forttransportiert hätte,
weil möglicher Frost und damit das drohende Festsitzen der Passagiere im Hafen
ihm zusätzliche Kosten aufgebürdet hätten. Erst im August 1852 waren alle Formalitäten
erledigt, so dass die Familie ihre „Reisebäße durch Deütschland" erhielt.
Es handelte sich um neun Personen; das jüngste Kind war 14 Tage alt.32)

Eine Gemeindeverwaltung hatte eher das Wohl der Gesamtheit im Auge als das
einer einzelnen Person. So ist auch die Geschichte zu verstehen, die sich 1858 in

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