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hissten ebenfalls an ihrem Haus eine schwarze Fahne und taten auf diese Weise ihren
Unmut über die Eingemeindung kund.41
Durch die Entscheidung, sich nicht freiwillig nach Rheinfelden eingliedern zu
lassen, verschenkte Karsau die Fusionsprämie in Höhe von 260 000 Mark.
Nun gab das Regierungspräsidium die kommunalpolitische Zukunft Karsaus vor.
Bis zur nächsten Gemeinderatswahl waren vier Karsauer Gemeinderäte im Stadtrat
von Rheinfelden vertreten, bei freiwilliger Eingliederung wären acht Sitze vorgesehen
gewesen; eine Ortschaftsverfassung musste eingeführt werden sowie die
unechte Teilortswahl, wobei Karsau einen Wohnbezirk bildete. Bis zur nächsten
Wahl blieben die bisherigen Gemeinderäte Karsaus Ortschaftsräte. Der Name
eines künftigen Ortsvorstehers wurde zunächst noch nicht genannt.
Am 5. Dezember 1974 hatte der Karsauer Gemeinderat bei sechs Ja-, sechs
Nein-Stimmen und einer Enthaltung Willi Spitznagel als Ortsvorsteher abgelehnt.
Diese Entscheidung war jedoch nach der Gemeindeordnung nicht zulässig, weil
die Abstimmung nicht auf der Tagesordnung stand und weil Spitznagel selbst daran
beteiligt war. Das Innenministerium empfahl dem Regierungspräsidium, nach
der Eingemeindung eine erneute Abstimmung anzuordnen. Also mussten die ehemaligen
Gemeinderäte nochmals darüber entscheiden, wer Karsaus Ortsvorsteher
werden soll.
Der Rheinfelder Gemeinderat war gegen die Ernennung des ehemaligen Karsauer
Bürgermeisters zum Ortsvorsteher und begründete dies mit dessen Einstellung
zur Eingemeindung. Auch die Karsauer Ortschaftsräte lehnten Spitznagel als Ortsvorsteher
ab, daraufhin beschloss der Gemeinderat, Willi Spitznagel, dessen Amtszeit
als Bürgermeister noch nicht abgelaufen war, in den einstweiligen Ruhestand
zu versetzen. Als Ortsvorsteher wurde am 13. März 1975 das an Lebensjahren älteste
Mitglied des Ortschaftsrates, Walter Schlachter, eingesetzt.
Doch Willi Spitznagel gab seine politischen Aktivitäten nicht auf. Er ließ sich
zum Spitzenkandidat der „Bürgergemeinschaft Karsau" aufstellen. Bei der Wahl
des Ortschaftsrates im April 1975 erhielt die Bürgergemeinschaft auf Anhieb die
absolute Mehrheit. Der Wahlsieger war eindeutig Willi Spitznagel und die Frage,
wer wird künftig Ortsvorsteher von Karsau, stand erneut im Raum. Mit acht zu einer
Stimme wählte der neue Ortschaftsrat Willi Spitznagel am 4. Juli 1975 zum
Örtsvorsteher von Karsau und auch die Mehrheit der Rheinfelder Gemeinderäte
sprach sich schließlich für den ehemaligen Karsauer Bürgermeister aus. Daraufhin
konnte Willi Spitznagel zum Ortsvorsteher Karsaus ernannt werden. In einer Stellungnahme
zu dieser Wahl sagte Herbert King: „Der 20. April, das heißt die Kommunalwahl
1975, hat uns eine eindeutige Entscheidungshilfe gebracht. Der Bürger
des Stadtteils Karsau, so möchte ich das Wahlergebnis auslegen, will doch, dass
Herr Spitznagel in der politischen Verantwortung bleibt."42 Rheinfeldens Oberbürgermeister
appellierte an die Gemeinderäte: „Meine Damen und Herren, ich bitte
Sie, tolerieren Sie das Ergebnis der Wahl vom 20. April 1975 und geben Sie Herrn
Bürgermeister a. D. Willi Spitznagel die Chance zur Mitarbeit als Ortsvorsteher.
Ich möchte der Überzeugung Ausdruck geben, dass auch Kollege Spitznagel die
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