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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 107
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-02/0109
An seinen Bundesbruder Zenoides alias Hitzig wird in einem Brief vom September
1804 die witzig-sprachspielerische Distanz zum Belchenkult der beiden Freunde
sichtbar:

O Zenoides!/ Sag, sind wir denn beide so völlig verrostet,/ und haben doch hyblä-
ischen Honig gekostet,! laufen in Prosa zu Fuß durch die Zeiten,/ und könnten auf
Jamben und Sechsfüßen reiten/ saufen des Wassers mit andern MilonenJ und lassen
verschimmeln des Punsches Zitronen?/ Wie? Sind wir auf dem Belchen gewesen,
und haben im großen Psalter gelesen./ Lebe wohl o Proteuser! Der Urgeist umgeb
dich!/ das Lispeln der heiligen Buchen umweb dich/ Die Reinheit des Äthers vom
Belchen durchbeb dich. (Nr. 117)

Das bedeutendste literarische Zeugnis aus Hebels Proteus-Zeit ist dessen Hymnus
Ekstase.

Erst der Basler Hebel-Forscher Wilhelm Altwegg hat diese Phantasie über den
Proteuskult der Lörracher Freunde von 1793 in seine Hebel-Ausgabe aufgenommen
. Einige Verszeilen sollen uns vergegenwärtigen, welch sprachgewaltiges
Sturm- und Drang-Werk Hebel hier verfasste: Es säuselt und säuselt, - was säuselt
so mild?/ Es sauset und brauset, was tobet so wild?/ Wie wehender Morgenhauch
flüstert! In Frühlings blumigem Haar,/ Wie steigendes Flämmchen erknistert/ Auf
Proteus goldnem Altar,/ So flüstert's/ und knistert's. (...) Ha, welche Schauer ergießet
/ Die Nähe seines Angesichts!/ Mein irdisch Sein zerfließet/ Hinüber in sein
seliges Nichts.! Urrein! Ganz dein, /Deinem Busen näher,/ Vater der Protäer. Kannte
Hebel etwa Albrecht Hallers 1729 in Basel entstandenes „Die Alpen"-Gedicht
(schon Vater Hebel hatte in seinem Taschenbuch Haller-Verse notiert!) oder Goethes
Ur-Faust und „Ganymed"?

27) Im Kreuz gang:
Hebels unvergängliche Aktualität

Zu ihrem 100. Geburtstag wollte die Firma Sandoz sich und Basel etwas Gutes
tun und etwas ganz Besonderes schenken: einen Marktbrunnen, gestaltet - wie
die „Helvetia" - von der Basler Bildhauerin Bettina Eichin. Doch dann kam alles
ganz anders: Nach der Katastrophe vom 1. November 1986, als der Rhein brannte,
nahm der Pharma-Konzern das Geschenk zurück. Noch immer als Leihgabe der
Künstlerin stehen die beiden Bronzetische im Kreuzgang des Münsters: der eine
mit frischem Obst und Gemüse beladen, der andere - nach dem Gau neu gestaltete
- als reiner Inschriften-Tisch mit Hebels „Vergänglichkeits"-Gedicht, am Boden
Trommel und ein Totenschädel. Ein Gönnerverein bemüht sich seit Kurzem mit der
Künstlerin und der Kirche eine endgültige Standort-Lösung zu finden und Bettina
Eichin ihr bis heute nicht überwiesenes Honorar zu bezahlen.

Nirgendwo sonst begegnen wir in Basel eindrucksvoller dem aktuellen Hebel,
der jenseits idyllischer Beschaulichkeit schon vor über 200 Jahren eine schreckliche
, apokalyptische Vision in alemannische Verse verwandelte:

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