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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 121
(PDF, 31 MB)
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Nur so ist es dann einleuchtend, dass ausführliche theoretische Gedankengänge
in ein persönliches, gefühlsbetontes Bekenntnis münden, und zwar in einem seiner
zentralen Texte, im Grunde eine Art Denk- und Arbeitsprogramm. Es findet sich in
einem seiner längsten Briefe überhaupt, geschrieben an den lutherischen Stadtpfarrer
Christian Theodor Wolf in Heidelberg, und zwar im zeitlichen Umfeld der
Entstehung der Gedichte22: „O Freund, daß mir noch zwey Wünsche gelängen!
Der eine wird mir, so Gott will, gelingen, noch Pfarrer bey einer Landgemeinde zu
werden, und der andere - wenn es mir dann gelänge irgend einen Theil des praktisch
religiösen Glaubens z. Beysp. von der Allgegenwart Gottes, oder ein religiöses
Gefühl z.B. dankbare Liebe lebendig und dauernd in ihren Seelen anzufachen
, - lächeln Sie freundlich zu meinem Traum! - ich wollte es dann ruhig iedem
fast allein überlassen, wie er vor Gott wandeln und seine dankbare Liebe in guten
Gesinnungen und Thaten wollte wirksam werden lassen" (B 90). Dieser Brief soll
im Folgenden knapp analysiert werden.

6. Die Frage nach einer allgemeinverständlichen Kunst, danach, wie das Schöne
für das Volk anziehend gemacht werden kann, rückt das „einfache" Volk als Adressaten
in den Mittelpunkt - wobei Hebels Ehrgeiz war, sogar die Gebildeten einzu-
beziehen. Es ist die Grundfrage von Verstehen und Kommunikation: Wie kann der
Mensch durch Worte (mündlich oder schriftlich) „erreicht" werden, damit er sich
„angesprochen" fühlt? Wie kann er zu einer Veränderung des Denkens und einem
bestimmten Verhalten bewegt werden? Dabei geht es um mehr als eine „ansprechende
" Gestaltung von Texten, um die Machart der Vereinfachung von Inhalten,
die sich etwa bloß auf das Bildungsniveau bezieht oder die rein sprachliche Frage
nach dem Gestaltungsprinzip, wozu Hebel sich auch (u. a. in seinen Gutachten)
gründlich geäußert hat.

Hebel geht es darum - als Prediger -, den Menschen für bestimmte „Inhalte" zu
gewinnen. Er bilanziert zunächst, dass der Appell an den Verstand sinnlos ist, denn
„es fehlt wahrlich nicht am Wissen und Erkennen, sondern am lebendigen Impuls
des Wollens" (B 90). „Moralische Predigten" hält er darum „für langweilig und
unfruchtbar" (B 89). Der Mensch darf nicht, wie es teilweise im Denken der Aufklärungsepoche
vorherrschte, im Rationalismus, reduziert werden auf ein Wesen,
das nur aus „Verstand" (ratio) besteht. Zum Menschsein gehören Empfindung, Gefühl
, Affekte. Darum erklärt er den Predigern bzw. denen, die Texte verfassen: Die
„Sinnlichkeit... will nicht besiegt, sondern gewonnen seyn". Er versteht „Sinnlichkeit
" nicht abwertend als den „materiellen" Teil des Menschen, der überwunden
werden muss, also „Fleisch" gegen den Geist, den idealen Menschen. Sie meint in
umfassender Bedeutung den Menschen als Sinnenwesen.

Das wird veranschaulicht durch eine handschriftliche, bis dato ungedruckte Notiz
Hebels. In einem (undatierten) Predigtentwurf23 beschäftigt sich Hebel ebenfalls
mit der Wirkungslosigkeit der Predigt, wenn der Prediger die „Natur" des
Menschen nicht berücksichtigt. Zum Wesen des Menschen gehören nicht nur Denken
und Handeln, sondern Fühlen und Empfinden: „Jede Liebe, die Liebe Gottes

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