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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 122
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-02/0124
nicht ausgenommen, hat ihren Grund und Bestand in Empfindung ... Wer die Liebe
auf einen andern Punkt fixieren will, er moralisire wie er mag, spricht der Natur
des Menschen entgegen, oder spricht wenigstens in einem sehr uneigentlichen
Verstand, und darum haftet auch sein Vortrag, bey Menschen nicht, die keine Piatonen
sind. Erst aus dieser Empfindung folgt das übrige, was sonst zur Liebe gerechnet
wird ..." Darum muss eine Predigt den Menschen in seiner Natur, und das
heißt eben auch in seiner Sinnlichkeit, ansprechen, ihre Inhalte müssen sinnlich,
„fühlbar", werden, an ihren Empfindungsgehalten festgemacht werden. Er ist kein
die Dinglichkeit der Welt übersteigender Plato. „Liebe Gottes - sie ist eine angenehme
freudige Empfindung, die sich in unserm Herzen rührt, so oft wir an Gott
denken, von ihm hören, von und mit ihm reden, in der Bibel im Gebett pp." (ebd.)

Daraus ist nicht zu folgern, dass Inhalte (Glaubensdinge, Verhaltensnormen) nebensächlich
würden, aber diese Inhalte (Wissen, Appelle) müssen als Gefühlsge-
halte vermittelt werden. Nur so gewinnen sie Einfluss auf den Willen, aus dem
sich ein entsprechendes Verhalten ergibt: „Erst aus dieser Empfindung folgt das
übrige". Der Mensch lebt nicht in der dünnen Luft reiner Geistigkeit, sondern ist
ein real existierendes Sinnenwesen. Abstrakte Begriffe wirken nicht auf das Gemüt
.

Nun spielt Hebel „Kopf und „Herz" nicht gegeneinander aus, sondern will sie
gerade zusammenbinden, denn „ohne Verein und harmonisches Zusammenwirken
der Vernunft und Sinnlichkeit" (B 90) ist eine Lösung nicht in Sicht. Auf diese
Weise rückt nun für Hebel die „Religiosität" ins Blickfeld. Mit ihrer Hilfe kann
man die Sinnlichkeit gewinnen - ohne sie zu besiegen: „Diese Absicht zu erreichen
scheint mir Religiosität das einzige wirksame und würdige Mittel zu seyn,
und lebendig, kräftig, anhaltend das Gefühl im Menschen durch Religiosität, die
der Sinnlichkeit anspricht, zu heiligen, halte ich für die eigentliche Aufgabe und
den lezten Zweck ... des Predigers" (B 90).

„Religiosität" ist also das Mittel. Sie ruft den „siegenden Enthusiasmus" hervor,
von dem Hebel spricht und der für ihn unabdingbar ist: Denn nur durch ihn gelingt
„Mühsames und Schweres" freiwillig, also im Grunde von selbst. Auf diese Weise
wird die sowieso wirkungslose „Moralpredigt" überflüssig, weil der Prediger es jedem
allein überlässt, „wie er vor Gott wandeln und seine dankbare Liebe in guten
Gesinnungen und Thaten wollte wirksam werden lassen" (B 90). Hier findet sich
der ähnliche Gedankengang wie in der unveröffentlichten Predigtnotiz. Will man
es im Sinne der Reformation auf den Begriff bringen, müsste man formulieren: Es
geht um die Vorordnung des göttlichen Tuns vor allem menschlichen Werk, um
den Glauben, der die Werke sozusagen automatisch aus sich heraussetzt.

Dass Hebels theoretische Überlegungen wirklich auf Praxis zielen, und auf welche
, zeigt der bereits genannte Wunsch nach dem Landpfarramt und weiter die
Tatsache, dass er dem Brief „pfarramtliches Beweismaterial" beilegt. Er referiert
nämlich schon im Brief ausführlich den Hauptgedanken einer kurz vor der Niederschrift
gehaltenen Predigt und legt diesem dann eine zweite bei. Er will dem Empfänger
damit demonstrieren, dass er „weit stärker auf eigentliche und zwar bib-

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