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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 123
(PDF, 31 MB)
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lische Religiosität, weil wir keine andere haben, als auf reine Moralität
hinarbeite(t)" (B 89). Das Gegensatzpaar lautet also: Biblische Religiosität statt
reiner Moralität. Innerhalb dieser Unterscheidung wäre die biblische Religiosität
dem Gefühl, die reine Moralität dem Verstand zugeordnet.

Zum Ende des thematischen Teiles des Briefes bringt Hebel - wieder in einem
nachdrücklich gehaltenen, berufsbezogenen Abschnitt - das in der Hebelforschung
zu wilden Spekulationen benutzte Stichwort von der „dichterischen Religion". Er
entnimmt es dem Werk eines von ihm sehr geschätzten Autors namens Johann Jakob
Mnioch24. Er schreibt an Wolf: „Aber was soll ich Ihnen sagen lieber Freund,
die (sie) Sies verstehen, so gut und besser als ich25, der Sie den gemeinen Mann,
seine Fähigkeiten, Lage und Bedürfnisse kennen, nicht von der Studirstube aus,
sondern aus dem Leben, aus Umgang und Erfahrung? Ich weiß Ihnen nichts zu sagen
- und höre doch nicht auf mit Mnioch zu beten: - „Du lieber Gott erhalte /
Uns eine dichterische Religion" (B 93).

Dieses Zitat wird zwar zur Deutung immer wieder hinzugezogen, ohne dabei
aber den Zusammenhang zu beachten, der Hebel bewusst war und auf den er zustimmend
anspielt.26 Hier nur ganz abgekürzt gesagt: „Dichterisch" ist eine Religion
, die die Sinne anspricht. Sie klappert nicht mit dürren Allgemeinbegriffen und
richtet sich nicht ausschließlich an den kalten Verstand. „Dichterisch" ist für Hebel
ein zentraler Gesichtspunkt von Religion. Es geht nicht um Dichtung als Religionsersatz
, um eine inhaltlich unbestimmte Stimmung („Spiritualität"), Theaterbesuch
oder Naturbetrachtung als und statt Gottesdienst. Darum legt Hebel Wert auf
die „biblische Religiosität", die, wie er sagt, verloren ging. Biblische Religiosität
ist eine von der Bibel her gespeiste, konkrete, sinnenhafte, ursprüngliche und damit
dem Menschen angemessene Religiosität. Das hat bedeutsame Folgen für die
Predigt- und Gebets spräche. Hebel lehnt eine kirchliche „Zunftsprache" ab und
plädiert für eine „natürliche Sprache". Bemerkenswert ist, dass Hebel (wie der Autor
des zitierten Textes selbst) dies als Gebet spricht: Gott soll den Menschen eine
derart beschaffene Religion „erhalten", ergänze: gegen vernünftelnde Entwürfe.

7. Es ist nun weiter bedenkenswert, dass Hebel seinem Brieffreund zur weiteren
Klärung „Einige Blätter mit Reflexionen über Kirchengebette" (B 91) beigibt. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit sind das die „Ideen zur Gebetstheorie"27, auch sie begleitende
Theorie zur Praxis.28 Die Maßstäbe für das Gebet für ein (über Jahr-
zehnte verwendbares) Kirchenbuch schließen sich an die Überlegungen zur Sinnlichkeit
an: „Dem gemeinen Christen muß, wenn überall, dann vorzüglich im Gebet
... das Unsichtbare an das Sichtbare, das Zukünftige an das Gegenwärtige geknüpft
, und gleichsam als auf seine Basis auftragen werden, und auch dem Gebildeten
thuts wohl."29 Es geht um Anschaulichkeit, die hilft, Verallgemeinerungen
und Abstraktion zu vermeiden, wie sie die Fachsprache verwendet, und zur Anschaulichkeit
und Konkretion führt.30

Diese Verbindung von - theologisch gesprochen - Gott und Mensch geschieht
mithin in der Fleischwerdung des Wortes, die gleichsam das Anschauungsmaterial

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