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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 126
(PDF, 31 MB)
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Mit dieser Deutung geht man einem doch problematischen Verständnis von
„moralisch" aus dem Weg, wie Hebel es gar nicht gemeint hat. Üblicherweise verbindet
man damit eben den Moralprediger, den Zeigefinger hebenden, höher stehenden
Volksaufklärer, wodurch man dann sogar den ästhetischen Rang der Gedichte
gemindert sieht.40 Die Wortbedeutung ist bei Hebel aber weitaus umfassender
. Verwendet er die Bezeichnung „moralisch", muss man sie in seinen Denkrahmen
setzen. Es ist eine abgekürzte Redeweise, die die Empfänger seiner Gedanken
verstehen: Er denkt an eine Wirkung, wie sie nur eine biblisch-dichterische
und so dem Menschen natürlich zukommende Religiosität hervorruft. „Moralisch"
ist nicht moralinsauer. Hebel denkt an die Gemütsstimmung eines Menschenherzen
, „das zum Guten bewegt ist, und sich der Elenden annimmt, und die Gefallenen
aufrichtet, ein solches Gemüth zieht nämlich das Ebenbild Gottes an, und
fällt deßwegen auch in seine Sprache."41 Dem verleiht er in den Gedichten Sprache
.

Als Beispiel mag die das Beten der Landleute frühmorgens auf dem Feld wiedergebende
Strophe im Gedicht „Der Morgenstern" dienen, für das Hebel „selber
eine eigene Vorliebe" hat (B 159). Es illustriert, was mit dem „praktisch religiösen
" Glauben bzw. Gefühl gemeint ist: „Se helfis Gott, und gebis Gott / e gute
Tag, und bhütis Gott! / Mer beten um e christlig Herz, / es chunnt eim wohl in
Freud und Schmerz; / wer christli lebt, het frohe Muth: / der lieb Gott stoht für alles
gut."42 Es ist eine Anleitung zum Beten, in der Anschaulichkeit und natürlichen
Sprache der Leser, hinwirkend auf eine Gestimmtheit des Gefühls, und inhaltlich
mit dem Herzstück seines Glaubens, der biblischen Religiosität.

Ich halte die „Allemannischen Gedichte" also für die praktische Einlösung der
theoretischen Forderungen, die Hebel für ein zunächst ganz anderes, nämlich
kirchliches Feld, erhebt, und zwar so, dass bei dieser Verwandlung der Gehalt, die
Sache gerade nicht verabschiedet wird - dies in künstlerischer Völlendung. Dafür
sind die beiden lateinischen Äußerungen ein vom Dichter selbst gesetztes Indiz.

10. Das hat vor allem eine frühe Kritik der Gedichte43 erkannt. Es ist darum
nicht verwunderlich, dass Hebel diese von allen „am meisten" „erfreute", „weil ihr
Verfasser ... am völligsten scheint empfangen zu haben, was ich geben wollte" (B
248 f.). Das bedeutet, dass Hebel sein Anliegen eben in diesem Zeitungstext gespiegelt
sieht, es in anderen Worten noch einmal vernimmt. So kann man etwa die
biblische, sinnliche Religiosität erfasst sehen in der folgenden Beschreibung: „Nur
sehr selten tritt die Darstellung aus dem beschränkten Kreise der ländlichen Den-
kungsart ... und die ganze sittliche Welt, der Himmel selbst und Gott und die
himmlischen Boten sind in diesen Bezirk mit so vielem Glücke eingeführt, dass
sie sich darin wie in ihrem eigenthümlichen Elemente bewegen."44 Und der ernsthafte
Wunsch Hebels, als „pastor pastoricia carmina" zu singen, geistliche Hirtenlieder
, spiegelt sich in folgender Bemerkung: „Auch darin ist hier die Eigentümlichkeit
der völksmäßigen Poesie ergriffen, dass die poetische Fiction nirgends als
müßiges Spiel erscheinen will; sondern in ihrer Einfalt sich erst dann für beach-

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