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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 137
(PDF, 31 MB)
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ich mich zurücksehne. Aber daß ich über den heillosen Mechanismus des Ganzen
wachen muß, daß sich mein Museum, meine Proteuskapeile in eine Canzleistube
verwandelt hat, wo ich den ganzen Tag Berichte schreiben, Buch und Rechnungen
führen, Red und Antwort geben, Akten durchgehen, ...examiniren, castigiren,
Zeugnisse fertigen, mit allen Vätern aller Kinder des Lyceums correspondiren muß,
das lehrt mich den Sinn der Worte verstehen: ,Ich sterbe täglich!70.. .Hab ich dazu
Thau auf dem Belchen getrunken, und das Rauschen der sieben Buchen11 gehört,
und den Räder schlag der Utzenfelder Mühle? Bin ich dazu 9 Sommer lang12 in der
Wiese gelegen...? ...es sind mir fast alle Freuden aus dem Geschäft entflohen, und
viele sogar aus dem Leben... Wer bin ich, o Herr, und wo ist mein Haus?13 - Ich
habe keins. "14 Es gibt bei Hebel mitunter diese Stellen, wo etwas aufbricht, was zu
seinem üblichen Bild nicht zu passen scheint.

Scheinbar beiläufig kommt Hebels Selbstverständnis als Geistlicher in seinem
Aufsatz über „Geister und Gespenster" zum Ausdruck. Es geht darin u.a. um die
Frage, ob der damals verbreitete Geisterglaube vom Übel und zu bekämpfen sei.
Hebel schreibt: „Man kann den Glauben, daß es Geister gebe, ...ohne Anstand
als eine vorliegende Schanze um den Glauben an Gott und... um den Glauben an
Seelenunsterblichkeit und an Vergeltung nach dem Tode, also wohl für die drei
wichtigsten und heiligsten Glaubenslehren ansehen. Immer gut für die gute Sache,
wenn die feindliche Macht des Unglaubens unserer und der künftigen Tage erst nach
und nach lange an solchen Vorwerken niederzureißen hat, ehe sie den Katapult an
das Heilige selber ansetzen kann. Warum wollen wir es tun, die wir das Heilige zu
bewahren da sind? "15

Ungewöhnliche Worte für einen evangelischen Geistlichen! Der Text hat nichts
von der aus Martin Luthers Lied sprechenden Glaubenszuversicht:

„Ein feste Burg ist unser Gott!

Ein gute Wehr und Waffen..."

Aus dem Brief spricht Verzagtheit und Resignation, was die Zukunft des
christlichen Glaubens angeht. Der Glaube an Gott ist durch die - wie Hebel
vorausahnt - „feindliche Macht des Unglaubens unserer und der künftigen Tage"
bedroht; diese wird die dem Glauben vorgelagerten Schutz wehren irgendwann
zerstören und dann „den Katapult an das Heilige selber ansetzen ".

Die Ausgangsfrage war, ob der Seelsorger den Geisterglauben bekämpfen soll.
Hebels Antwort: Wenn der Unglaube in seinem unaufhaltsamen Vormarsch durch
die Existenz des Geisterglaubens aufgehalten wird, kann es nicht Aufgabe des
Seelsorgers sein, diesen Schutz zu beseitigen: „Warum wollen wir es tun, die wir
das Heilige zu bewahren da sind? "

Hebel spricht hier den Auftrag an, den er mit der Ordination empfangen hat,
das zu schützen und mit Substanz zu erfüllen, was im Mittelpunkt des christlichen
Glaubens steht - das Heilige. Es manifestiert sich für ihn in den „drei wichtigsten
und heiligsten" Glaubens Wahrheiten: Gott, Unsterblichkeit der Seele und Letztes
Gericht.76 Doch Hebel meint hier weniger bestimmte Glaubensinhalte als den
religiösen Glauben an sich, Glauben im Gegensatz von Unglauben.

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