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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
72.2010, Heft 2.2010
Seite: 140
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2010-02/0142
vergeblich auf Amt und Versorgung. Alle meine Jugendgenossen waren versorgt,
nur ich nicht ...ich wurde unversehens in die Residenz berufen, aber zu keinem
Pfarramt. Ich bin von Stufe gestiegen zu Stufe, aber nie zu einem Pfarramt. Ich habe
vielleicht zweitausend Jünglinge in Sprachen und Wissenschaften unterrichtet.. .Ich
habe die Liebe und Achtung vieler guten Menschen, ich habe das Vertrauen und die
Gnade unserer Fürsten genossen. Ich bin Mitglied der obersten Kirchenbehörde
geworden. Ich bin zuletzt mit einer in unserer vaterländischen Kirche noch nie
erhörten Würde geehrt worden und mit Fürsten im Rat gesessen. So bin ich an
einer unsichtbaren Hand immer höher hinan, immer weiter von dem Ziel meiner
bescheidenen Wünsche hinweggeführt worden... "88

Liebe Freunde, Sie erinnern sich gewiss noch der eindrucksvollen alemannischen
Festrede von Herrn Pfarrer Zumkehr beim letzten „Hebelschoppen" }9 Gegen
deren Ende zeigte er uns eine Stelle aus einem in Latein verfassten Brief Hebels
an seinen Freund Joseph Albert von Ittner aus dem Jahre 181190, über die man bis
dahin - wohl wegen des nicht allen geläufigen Lateins - hin weggelesen hatte. Ittner,
bis dahin Kurator der Universität Freiburg, ist gerade Direktor des Seekreises mit
Sitz in Konstanz geworden,91 und Hebel bittet ihn scherzhaft - der katholische
Landstrich hat für einen protestantischen Geistlichen ohnehin keine Verwendung
- um Aufnahme in einen Winkel seines Amtsbezirks, damit er dort als pastor, als
Seelenhirt also92, wirken könne; er werde dann „pastoritia carmina ", d.h. die Lieder
eines Hirten singen.93 Hebel sieht sich hier als Seelsorger und als Dichter.

Offenbar lagen seine musische Ader und sein geistlicher Auftrag in seinem
Selbstverständnis doch nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick
den Anschein hat. Die Parallele zwischen seinem Lebenswunsch, Pfarrer in
einer Landgemeinde zu werden, und der im Brief an seinen Freund imaginierten
Pfarrstelle am Bodensee ist jedenfalls unübersehbar. Vielleicht sah Hebel in der
ersehnten Landpfarre eine Chance, geistliches Amt und musische Anlage zu
verbinden. Bezeichnenderweise hatte er schon in seinem ersten Kalendergutachten
vorgeschlagen, die Redaktion einem „Landgeistlichen, der Talent, guten Willen
und Muße1' dazu habe,94 zu übertragen. Es ist ewig schade, dass es Hebel, der
nach den Worten Wilhelm Hausensteins „innig und klug gewesen ist",95 nicht
vergönnt war, Landpfarrer zu werden. Was hätte er uns möglicherweise noch alles
hinterlassen, wenn er die nötige Muße dazu gehabt hätte! Stattdessen zerrieb er sich
im Schuldienst und in der kirchlichen Verwaltung.

Mit diesem Ausblick will ich schließen. Auch Hebels geistliche Hirtenlieder sind
Utopie geblieben. Was ihm hier vorgeschwebt haben mag, lässt sich nur erahnen.
Schon ein Jahrzehnt zuvor hatte er in einem Brief geschrieben, er höre nicht auf, mit
den Worten eines Zeitgenossen zu beten:

„Du lieber Gott erhalte
Uns eine dichterische Religion. "96

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