http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2011-01/0096
Gersbach galt schon damals als ein vermögendes und dazu noch - aus französischer
Sicht - als ein grenznahes, also relativ leicht erreichbares Dorf: Der Reichtum
an wertvollem Wald, vor allem aber auch die bestehende Infrastruktur, die
große Anzahl von Zugochsen und die vom Militär stets dringend benötigten Pferde
sowie die vorhandenen speziellen Fuhrwerke für den schwierigen Transport langer
Holzbalken bzw. sehr langer Rohstämme sorgten dafür, dass Gersbach für die militärischen
Strategen - diesseits und jenseits des Rheins - immer zum Objekt besonderer
Begierde wurde.
Denn das noch nicht durch Schanzen geschützte Gersbach bot sich geradezu für
Kontributionen an, vor allem für Stamm- wie für Bauholz. Zudem „die Mähnegenossenschaft
drei Sägemühlen unterhielt, in denen das zum Bau und Unterhalt
herrschaftlicher Gebäude und sonstiger Anlagen wie Brücken usw. benötigte Holz
bearbeitet wurde".21) Vor allem aber die stattliche Anzahl großer Fuhrwerke, insbesondere
die Spezialanfertigungen für den Transport von Langholz und die dafür
notwendigen Zugtiere - es werden um 1700 in Gersbach 28 Pferde und 66 Zugochsen
aufgeführt28) - sowie die erfahrenen Fuhrleute vor Ort garantierten einen
zügigen Rücktransport ins französische Hüningen.
Daher weckte dies bei den französischen Militärs - vor allem mit dem laufenden
weiteren Ausbau ihrer großen Festung Hüningen (erbaut 1679 - 81, bis 3 500 Mann
Besatzung) - immer wieder Begehrlichkeiten. So entstanden der Stadt Schopfheim
in den Jahren 1688 - 94 durch ,jRaub, Fourage, Verpflegung, Frohnden und muth-
willigen Verderben " 29) sehr hohe finanzielle Schäden.
Dabei fällt auf, dass von der Gesamtsumme von 28 000 Pfund allein 12 000
durch Schäden in Gersbach verursacht wurden - was wohl ein wichtiger Grund
dafür war, diese Raumschaft mit zusätzlichen Schanzanlagen zu schützen. Aber
auch für die kaiserlichen Reichs- und Kreistruppen mussten umfangreiche Holzlieferungen
z. B. nach Breisach geleistet werden.
Das Führen von solch großen Fuhrwerken bzw. Langholzwagen mit bis zu sechs
Zugtieren erforderte - zunächst talwärts bei hohem Gefälle - ein Höchstmaß an
Können, aber auch in der Ebene ein meisterliches Geschick mit einem eingespielten
Gespann.
Fasst man alle vorliegenden Forschungsergebnisse (siehe Bd. 1/2009, Fortifikati-
on im Barock: Die Schanzen des „Türkenlouis" im Südschwarzwald, S. 13 - 80)
zusammen, liegt es nahe, dass die Schanzen im Raum Gersbach - strategisch gesehen
- zwar auch einen möglichen Durchbruch bzw. einen Zusammenschluss französischer
und bayerischer Truppen verhindern, in erster Linie jedoch die massiven
Kontributionszüge der Franzosen nachhaltig unterbinden und somit deren eigene
Versorgungslage in Hüningen erschweren sollten.
Nun wird auch klar, weshalb der Oberbefehlshaber der Reichs- und Kreistruppen
am Oberrhein, Markgraf Ludwig Wilhelm, ausschließlich hier - ganz im Gegensatz
zum Rest der evangelisch-baden-durlachischen Markgrafschaft - eine beeindruckende
Schanzenlinie errichten ließ, die er sogar zusätzlich mit einer zweiten
, von Süden (Hasel) kommenden und nach Norden (über Mettlen) führenden
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