Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
73.2011, Heft 1.2011
Seite: 100
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2011-01/0102
portwesen der Gersbacher Menebauern begünstigte zudem auch die Ansiedlung
weiterer, z. T. spezialisierter Berufsgruppen wie die der Kettenschmiede (Ketten
für Zugtiere, das Holzschleifen, zum Holzrücken, zur Fixierung der Baumstämme
auf den Fuhrwagen, etc.).

So entwickelten sich die Menebauern von einstigen Fronbauern über die Rodungsfreien
hin zu selbstständigen Fuhrunternehmern, die mit ihrem Fuhrpark und
ihrer großen Erfahrung die schwierigen Transporte von Stamm- und Bauholz übernahmen
und durch solche Fuhrgeschäfte - selbst in Zeiten kriegerischer Bedrohung
wie auch beim Schanzenbau - reich wurden.

Insbesondere im 18. Jahrhundert veränderte sich aber auch die Struktur des
Dorfes dahingehend, dass die Anzahl der Taglöhner deutlich - in den Augen der
Menebauern wohl dramatisch - anstieg und sich die MehrheitsVerhältnisse plötzlich
zuungunsten der einst dominanten Menebauern änderten.

Durch die Einheirat von nicht meneberechtigten Bauern und Tagelöhnern bei
den Menebauern kam es weiterhin zu einer starken Erbteilung und damit zu einer
spürbaren Vermehrung auch der Menebauern selbst: Von einst 7 40) auf 20 41), dann
25 42) und schließlich bis auf 59.43) Dies führte über eine Intensivierung der Rechtsnutzung
zu ständig wachsenden Spannungen zwischen den meneberechtigten und
den nicht meneberechtigten Bauern und Taglöhnern. Die Menebauern nutzten ihre
wirtschaftlich herausragende Stellung, um - in vielfacher Weise - die Taglöhner
über lange Zeit unter Druck zu setzen und in allen Lebensbereichen empfindlich
zu treffen.

Auf Grund der Höhenlage, der geringen Qualität der Böden und des rauen Klimas
waren für alle Bewohner Gersbachs zusätzliche Einkünfte zum Erwerb von
Grundnahrungs- und Haushaltsmitteln lebenswichtig, um eine ausreichende
Grundversorgung ihrer Familien zu sichern. So ist auch die tägliche Not derer zu
erklären, die nur als Taglöhner bzw. nichtmeneberechtigte Bauern ihr karges Dasein
fristeten. Die „ soziale Schere " öffnete sich ständig weiter und zerschnitt wiederholt
die bestehenden sozialen Strukturen und Bindungen im Dorf - was zu den
langwierigen, heftigen und sogar auch tätlichen Auseinandersetzungen führte, die
nur gerichtlich befriedet werden konnten. ,JDie Einwohner, ein rühriges, fleißiges,
aber dabei sehr prozesssüchtiges Volk"AA) schrieb Fecht 1859. Da man weitere Unruhen
und auch Ausschreitungen befürchtete, wurde vorsorglich die Polizeistation
von Todtmoos zeitweise nach Gersbach verlegt.

Und selbst noch 1884 musste der Gersbacher Gemeinderat Brutschin anlässlich
des „Freuden- und Friedensfestes1' seinen Zuhören nachdrücklich ins Gewissen
reden: „Wollen wir diesen Streit, welcher wie wucherndes Unkraut in unserer Gemeinde
sich eingenistet hat, sich noch tiefer einnisten lassen? Wollen wir das Unheil
auf Kind und Kindeskinder fortpflanzen, in dem wir den Streit verewigen?
Wollen wir uns denn unser Leben, das ohnedies voller Mühe und Arbeit ist, noch
mehr verbittern und erschweren oder wollen wir den Vorwurf, welcher so schwer
auf uns und unseren Voreltern lastet, prozeßsüchtige unversöhnliche Menschen zu
sein am heutigen Tage nicht lieber von uns abwälzen? " 45)

100


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2011-01/0102