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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
74.2012, Heft 1.2012
Seite: 30
(PDF, 29 MB)
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beitete, wo sich die Architekten-Avantgarde um Walter Gropius, Ludwig Mies van
der Rohe und Le Corbusier die Klinke in die Hand gab, erhielt den Auftrag. Für
die Außenanlagen war Professor Harry Maasz aus Lübeck zuständig, die Innenrestaurierung
leitete der Maler und Architekt Erich M. Simon. Dazu verlegte er seinen
Wohnsitz für vier Jahre nach Bürgeln; er entwarf fehlende Teile und machte
die Handwerker mit den alten Malerei- und Stucktechniken vertraut.

Im Einvernehmen mit Sichler und dem Bürgeln-Bund geschah die Wiederherstellung
der alten Propstei unter sich verändernden denkmalpflegerischen Grundsätzen
, die in den 1920er Jahren durchaus revolutionär waren. Die Idee der Rückführung
in den ursprünglichen Zustand von 1764 durch Entfernen der An- und
Umbauten (mit Ausnahme des Ostflügels) war damals vorbildlich; ebenso der Einsatz
aller verfügbaren restauratorischen Mittel, wobei die historischen Gegebenheiten
gewahrt wurden. Durch eine sensible Anpassung an die veränderte Nutzung
als Herrensitz und gleichzeitig als museales Gebäude konnte die alte Substanz
nachhaltig erhalten werden. In der Restaurierung Bürgelns wurden bereits viele
Forderungen der 1964 verfassten „Charta von Venedig" vorweggenommen. Denn
die Verantwortlichen widerstanden der damals üblichen Auffassung, das Gebäude
unter dem Aspekt der „Originaltreue" (der Begriff wird heute nicht mehr verwendet
) „stilgerecht" an die damalige Gegenwart anzupassen und es dadurch letztlich
stärker zu verändern.

Unter diesen Gesichtspunkten muss die Restaurierung Bürgelns einschließlich
der teilweisen Neugestaltung des Anwesens als eine - ohne jede Einschränkung -
großartige denkmalpflegerische Leistung ihrer Zeit auch heute noch beurteilt werden
. Sichler wurde dafür 1928 von der Technischen Universität Braunschweig mit
der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Jahrzehnte später, im Rückblick auf das Geleistete
, sieht Sichler seine Leistung aus einem anderen Blickwinkel: seine größte
Leistung sei damals wohl gewesen, die Baumaßnahmen 1923/24 nicht unterbrochen
zu haben und trotz Entwertung des Geldvermögens an der Restaurierung
festgehalten zu haben. Tatsächlich ging es 1923 ums Ganze: Die Hyperinflation
vernichtete 95% des Geldes. Es ist erstaunlich und bleibt rätselhaft, wie Sichler
ohne Unterbrechung weiter bauen lassen konnte. Vielleicht waren es Devisen, derer
er sich bedienen konnte, wahrscheinlich ist aber auch, dass er einen Großteil
seines beträchtlichen Vermögens dafür aufgewandt und auch eingebüßt hat.

Sichlers Idee des Gesamtkunstwerkes

Sichler kannte den „ästhetischen Blick" eines Johann Peter Hebel von ,,Z' Bürg-
len uf der Höh" sehr genau, er war ein Bewunderer des alemannischen Dichters.
Neben der denkmalorientierten Konzeption entwickelt sich - eher intuitiv als be-
wusst - eine erweiterte Zielvorstellung: Alle wahrnehmbaren Aspekte und Artefakte
- der Baukörper, die Inneneinrichtung, die Außenanlagen, die Natur und die
Ferne - werden einer ästhetischen Gesamtwirkung unterworfen. So wird die Au-

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