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und Rot, sondern kleine Muttergottesandachten in geschwärzten Silber- und Goldspitzen
hinter Glas und in tiefen Rahmen, aus denen sie herausblickten wie aus
sehr alten, kleinen Himmelstüren, durch die wohl eine selige Jungfrau mit dem
Kindchen treten kann, aber nicht der liebe Gott selber, weil er viel zu groß dafür
ist.
Mein Großvater war der Gemeindemaulwurfsjäger und durfte auf alle Wiesen
gehen. Anno achtundvierzig war er mit der Sense dabei gewesen, und das Jahr darauf
, so sagt man beziehungsvoll, kam meine Mutter zur Welt. Von irgendeiner
Wildheit merkte man ihm aber nichts mehr an. Neben der Mauserei versah er noch
die Küsterstelle an der Kapelle im «Himmelreich», einem kleinen Klosterwesen,
das sich dicht am Wald angesiedelt hatte, so dass er das Glück genoss, nie im
Zweifel zu sein, was er mit seiner Zeit anfangen sollte. Über Tags stellte er den
Maulwürfen nach, und morgens und abends lockte er die Seelen ins Himmelreich,
und zwar gleich in zwiefachem Sinn. Daher mochte er tun, was er wollte, so sah er
immer gut aus mit seinem weißen Schopf und Schnurrbart, der Mücke [einem
Kinnbärtchen] unter der Unterlippe, der gebogenen klugen Nase und den hellen
blauen Augen, die durch alle sechzig Jahre nichts von ihrem jugendlichen Licht
eingebüßt hatten. Daneben besaß er in seiner Armut und seiner Unberühmtheit genug
Geheimnis, um auch dem Seelenhunger in mir gerecht zu werden. Ein richtiger
katholischer Mensch hat ja von Haus aus seine Mystik im Leib; es ist um ihn
einmal ein anderes Licht, als um einen Protestanten. Wenn er weder Maulwürfe
fing, noch die Glocken zog, so hatte er etwas zu schnitzen oder zu basteln; er war
eine ewige Unruhe und eine unaufhörliche Unternehmung im Kleinen. Stand er
wirklich einmal still, so war es, um die Pfeife zu stopfen, die wie er den ganzen
farifahir am htm %ahrt W Abb. 5: Revolutionsjahr 1848: Freischärler
mit der Sense bewaffnet
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