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der nicht an deutlichen Worten, wenn es darum ging, Erscheinungen und Praktiken
der Volksfrömmigkeit und des Aberglaubens unter der katholischen Landbevölkerung
anzuprangern. Hier konnte er seine Herkunft als protestantischer Theologe
und aufgeklärter Zeitgenosse nicht verleugnen.
Nicht minder interessant sind aber seine naturwissenschaftlich motivierten Beobachtungen
des technischen Fortschritts, welchem er in der Landwirtschaft eher selten
, in handwerklichen und vorindustriellen Gewerbezweigen dagegen häufiger begegnete
. Dazu lieferte ihm die Kobaltfabrik der Gengenbacher Benediktiner ebenso
Anschauungsmaterial wie die Waldkircher Granatschleiferei, deren Arbeitstechniken
er detailreich ausbreitete. Um etwas „Neues und Lehrreiches" zu sehen, ließ er sich
in Schopfheim den Drahtzug zeigen, in dem das vom Eisenhammer in Hausen gelieferte
Eisen zu unterschiedlich feinem Draht gezogen wurde.
Nachdem er in Schopfheim übernachtet hatte, gelangte Heinrich Sander am folgenden
Tag zunächst zum seinerzeit offenbar ausgetrockneten Eichener See, dessen
Beschreibung er gesondert veröffentlichte,4 und erreichte sodann das Dorf Hasel
, dessen Umgebung er als „kalt und unfreundlich" beschrieb: im Winter oft so
tief eingeschneit, dass man nicht von einem Dorf zum nächsten gelangen könne,
im Sommer so heiß, dass sich das Wild nicht aus dem Wald traue. Den mit ihm
verwandten Ortspfarrer, bei dem er Quartier bezog, bedauerte er zutiefst, da er an
diesem „Ort zwischen Felsen und Tannen" leben müsse, „wo er freilich seine irdischen
Bedürfnisse, aber keine Gesellschaft, keinen Umgang, keine Bücher, keine
Ermunterung" habe. Da gerade Sonntag war, besuchte Sander den Gottesdienst
und hörte sich die Predigt seines Freundes an, der er die in dieser Gemeinde angeblich
erforderliche „Popularität und Simplicität" bescheinigte. Am Nachmittag
des 23. September 1781 wandte er sich schließlich seinem eigentlichen Ziel zu,
der Haseler Höhle.
„Diese Reise führte mich sonst immer auf Berge. Aber heute stieg ich auch in
eine ziemliche Tiefe hinab, und besah eine Tropfsteinhöle, die nur wenige Schritte
von den letzten Häusern des Dorfes Hasel entfernt ist. Die Leute nennen diese
Hole, die mit der Baumannshöle [in Sachsen] viele Ähnlichkeit hat, das Erdmänn-
leinsloch, weil der Aberglaube noch immer Bergmännchen und Menschen im
Meer und unter dem Boden annimmt. Ich mußte meine Kleider ablegen und Baurenkleider
anziehen, nahm zween Bauren, die schon mehrmals darinn gewesen
waren, mit mir, und mit dem Licht in der Hand giengen wir erst gerade hinein, sodann
auch in eine große und weite Seitenhöle, und als wir wieder aus dieser hervorkamen
, verfolgten wir den geraden Weg mitten durch die Hole, aller Beschwerlichkeiten
, und der unzähligen Steine des Anstossens ungeachtet, solange fort, als
es nur möglich war. Zuletzt kamen wir an einen starken und reissenden Bach, der
wenigstens in einer Tiefe von zwanzig Klaftern im Boden läuft. Über diesem Bach
ist die Hole viel höher, als ein gewöhnlich steinernes Haus. Ich bemerkte, was
nach der Aussage meiner Begleiter noch niemand bemerkt hatte, daß nemlich das
Wasser vorne sehr kalt, und hinten merklich warm ist. Ich fand das, da ich so lange
hineingieng, als ich festen Boden vermuthen konnte, das Wasser auf der Zunge
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