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In der bergigen Landschaft des oberen Kandertales wurden, wie auch im benachbarten
Kleinen Wiesental, in früheren Jahrhunderten die Hofanlagen zerstreut
an den oft sehr steilen Hängen erbaut. Das Vorhandensein von einer in der Nähe
liegenden Wasserquelle war dabei immer eines der wichtigsten Kriterien. Aber
auch die Talsenken wurden manchmal für eine Bebauung genutzt, dann allerdings
meist auch in Verbindung mit einer Mühle. Große Gebäude mit ausladenden
Walmdächern waren meist die Regel. Die Aufteilung der Wohn- und Wirtschaftsfläche
erfolgte damals meist wie üblicherweise bei den Schwarzwaldhöfen. Erst in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten auch stattliche Bauernhöfe mit
spitzen Giebeln, die man meist mit dicken Steinmauern und Sandsteingewänden
versah. Charakteristisch ist bei diesen Höfen der Zugang im Wohnteil über einen
Hausflur in die Wohnstube, wobei die Küche vom Flur aus seitlich betreten wurde.
Ebenso gilt hier, je neuer das Baujahr, desto höher wurden die Stockwerke. Einen
solchen Hausbau konnten sich in der Regel nur besser gestellte Einwohner leisten,
und oft schmälerte eine derartige Bauausführung die Lebensweise einer Familie
generationenlang. Manchmal entstanden durch die weitere Ausbreitung von hinzugekommenen
Gebäuden dann kleine Dörfer oder Zinken, wie sie heute das Landschaftsbild
prägen. Besonders im 19. Jahrhundert gesellten sich oft auch noch
kleinere sogenannte Taglöhnerhäuser dazu. Die Eindeckung der Dächer erfolgte in
den früheren Jahrhunderten fast ausschließlich mit Stroh, und erst in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde hier behördlicherseits eine Veränderung herbeigeführt
. Wegen der großen Brandgefahr ist die Eindeckung mit feuerfestem Material
vorgeschrieben worden. In den Gebirgsdörfern war dies jedoch wegen der
Steillagen nicht so einfach. Der Bürgermeister der damaligen Gemeinde Malsburg,
Johann Jakob Läuger, schrieb nämlich am 9. Juni 1871 an das Bezirksamt Müllheim
eine Eingabe für den Filialort Kaltenbach. Die Bitte war dabei, dass die neuen
Gebäulichkeiten weiterhin mit Stroh eingedeckt werden dürften, weil die Zufuhr
von Ziegeln auf große Schwierigkeiten stoßen würde und zeitweise fast nicht
möglich wäre. Auf Anordnung des Bezirksamtes wurde dann am 12. September
desselben Jahres die örtliche Bauordnung für den Ort Kaltenbach abgeändert.
Wörtlich heißt es hier: „Die baupolizeilichen Vorschriften vom 5. Mai 1869 sollen
für Kaltenbach maßgebend sein, mit Ausnahme § 43, Abs. 2 und 3. Es solle gestattet
werden auch Strohdächer an Stelle Dächer mit feuersicherem Material nach beliebiger
Art neu bauen zu dürfen, welche dreißig Fuß voneinander entfernt bleiben
müssen, un4 über die Eingänge Ziegelstreifen anzubringen, oder das Stroh mit
starkem Draht anzubinden von einem Fuß Höhe und zehn Fuß breit, ebenfalls sollen
die Dachsparren mit starken eisernen Riegel oder Klemmen befestigt werden,
bei dem Austritt der Kamine aus der Dachfläche soll rings um auf einer Breite von
mindestens vier Fuß mit Ziegeln oder anderem feuersicheren Material eingedeckt
werden." Auch für den Ort Marzell gab es ähnliche Anordnungen bezüglich der
baupolizeilichen Vorschriften. Bei der Sammlung von Bilddokumenten zur Häuserchronik
stellte sich dann auch heraus, dass viele Gebäude im oberen Kandertal
um die vorletzte Jahrhundertwende noch mit Stroh eingedeckt waren. Die letzten
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