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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
77.2015, Heft 1.2015
Seite: 70
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2015-01/0072
Wie war nun die schulische Ausbildung der Kinder im Wiesental, die in der Textilindustrie
beschäftigt waren?

Der Arbeitstag der Fabrikkinder dauerte seit 1840 bis zu 12 Stunden, wovon
zwei Stunden mit Schulunterricht ausgefüllt waren. Nach einer Verordnung des Innenministeriums
wurden Kinder über 11 Jahre von der Volksschulpflicht befreit,
wenn sie eine Fabrikschule, die die Fabrikherren einzurichten hatten, besuchten.

Der Unterricht sollte vor der Vor- oder Nachmittagsarbeit stattfinden, andernfalls
stand den Kindern vor der Schule eine einstündige Pause zu. Die Verordnung
schränkte die tägliche Unterrichts- und Arbeitszeit für Mädchen unter 13 und für
Jungen unter 14 Jahren - entsprechend der Schulpflicht - auf 12 Stunden ein.
Mädchen wurden demnach noch früher als Jungen voll erwerbstätig, die spärliche
Bildungsmöglichkeit durch eine Fabrikschule wurde ihnen eher entzogen, da sie
aus ökonomischen Zwängen heraus die Möglichkeit zur Arbeit meist sofort ergreifen
mussten.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Familien oft mit sehr vielen Kindern gesegnet
waren. Ohne die Mithilfe der Kinder in der Landwirtschaft oder Heimarbeit
bzw. später als Fabrikarbeiter war ein Überleben der Großfamilien oft nicht möglich
. In Dürrejahren war darüber hinaus das Auswandern vieler junger Männer ins
Elsass und später in die USA der einzige Ausweg.

Wie bereits erwähnt, war die Kinderarbeit neben der Landwirtschaft und der
Textilindustrie auch in anderen Bereichen anzutreffen. In einem Artikel der Badischen
Zeitung vom 7.4. 2010 über einen Vortrag von Wirtschaftshistoriker Dr.
Herbner über die Geschichte des Bürstenhandwerks im Oberen Wiesental ist Folgendes
zu lesen:

„Auch Kinderarbeit gab es: Mit 212 Kindern unter 14 Jahren waren in der Bürstenhausindustrie
mehr Kinder beschäftigt als in der Seidenband- und Uhrmacherei
zusammen. Vor allem in den hochgelegenen Seitentälern und Orten wie Todtnauberg
war der Anteil der Heimarbeiter hoch. Vater, Mutter und Kinder arbeiteten im
gemeinsamen Wohn- und Schlafraum, dessen Luft verpestet war vom Rauch des
Holzfeuers und des heißen Pechs, das für das „Pichen" (in Pech tauchen) der Borsten
nötig war. Zur ungesunden Luft kam die erhöhte Gefahr, an Milzbrand zu erkranken
, die durch verunreinigte Borstenware aus China und Russland hervorgerufen
wurde".

Man kann meines Erachtens mit Gewissheit sagen, dass die lange Arbeitszeit
und teilweise Nachtarbeit für die Kinder in den Fabriken, in den stickigen, lärmigen
und unter hoher Luftfeuchtigkeit stehenden Räumen, wohl gesundheitlich die
größten Probleme bereiteten. Die schlimmsten Auswüchse der Kinderarbeit waren
im Wiesental mit Sicherheit zu Beginn der Industrialisierung in den Jahren zwischen
1820 und 1860 festzustellen.

Im Laufe der weiteren Entwicklung des 19. Jahrhunderts ist die Kinderarbeit
durch neue Verordnungen des Staates immer mehr eingeschränkt worden. Auch
auf die Einhaltung der gesetzlichen Schulpflicht hat man mehr geachtet. Ab 1870

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