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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
77.2015, Heft 1.2015
Seite: 166
(PDF, 39 MB)
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Tucholsky schreibt am 23. März 1935 an Hedwig Müller:

Die Sache mit dem jüdischen Buffalo Bill (= Berthold Jacob; Anm.) tut mir
furchtbar leid. Er ist in sein eigenes Schicksal gelaufen.

Die Schweiz wird aufatmen - man kann nichts beweisen, und so sind sie in Bern
der Mühe enthoben, sich etwas auszudenken, warum sie nichts tun können. Aber
abgesehen davon:

Ich kannte den Mann seit etwa 14 Jahren. Sein Wesenszug war dem Goebbels
sehr verwandt: ein verzehrender Ehrgeiz, dazu eine merkwürdige, kolportagehafte
Sucht, zu konspirieren. Ob sauber, weiß ich nicht - tapfer auf alle Fälle. Mitunter
nützlich (...). Und dieser oberschlaue Mann läßt sich nun also in eine Stadt locken
, von der wir damals schon gesagt haben: Nicht eine Nacht, - und der Rest
war natürlich (für die Entführer, Anm.) eine Spielerei (GA 21, S. 117 f.).

Tucholsky kann die Geschichte nicht einfach weglegen, sondern:
Der Fall Jacob gewinnt nunmehr eine Ausdehnung, daß ich doch glaube, auch
etwas tun zu müssen (An Hedwig Müller, 28. 3. 1935, GA 21, S. 122). Tucholsky
wendet sich aus seinem schwedischen Exil an den Bundesrat der Schweizerischen
Eidgenossenschaft:
Bitte erlauben Sie mir, Ihnen zu dem Fall Berthold Jacob etwas mitzuteilen
(...). Wenn (...) der schweizerische Bundesrat sich dieser Sache und damit des
Mannes annimmt, so gestatten Sie jemandem, der ihn fünfzehn Jahre gekannt hat,
zu sagen: Sie nehmen sich eines braven Mannes an (...). Dieser körperlich unansehnliche
kleine Mann hat eine Art Tapferkeit, die ihn da angreifen ließ, wo andere
aufhören - und, wenn er das furchtbare Unglück haben sollte, vor ein deutsches
Gericht zu kommen, so wissen seine Gesinnungsfreunde alle: der hält den Kopf
hoch, solange er noch stehen kann (...). Ich habe es für richtig gehalten, meinen
Brief nicht der Presse zu übergeben, da mir an politischem Kampf nichts liegt,
sondern ihn direkt an die Stelle zu richten, die das Schicksal eines unglücklichen
und unerschrockenen Mannes in Händen hält (GA 21, S. 130 f.).

Erstaunlich, aber wahr: Die Nazis liefern im September Jacob an die Schweiz
aus, diese verhaftet ihn jedoch sofort und schiebt ihn - wegen Passfälschung -
nach Frankreich ab. Während des Krieges flüchtet Jacob nach Portugal, wird wieder
von deutschen Häschern nach Deutschland verschleppt; er stirbt am 26. Februar
1944 als Gestapo-Häftling im Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Auf dem Jüdischen
Friedhof in Berlin-Weißensee wird er beerdigt.14)

Tucholsky verfolgt und kommentiert weiterhin die Ereignisse um Jacob: Daß
der Polizei-Ludwig aus Basel über die Grenze dräut und seine schwache Bürgerfaust
herüberschüttelt, ist ganz munter (Brief an Hedwig Müller vom 28. 3. 1935,
GA21,S. 125).

In diesem Zusammenhang bewertet Tucholsky die Gegnerschaft der Schweiz
zum Nazi-Deutschland als zu schwach. Die Schweiz solle eine moralische Hal-

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