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Es war wohl innerhalb der NSDAP umstritten, ob Graser noch als Bürgermeister
in der „neuen" Zeit tragbar war.62 Es gab auch auf höherer Ebene Befürchtungen^
dass die NSDAP nicht genügend qualifizierte Kräfte habe, um eine funktionsfähige
Verwaltung zu garantieren. Das schien in hohem Maße auch für Graser zu sprechen
. Doch letztendlich hatte Graser keine Chance und er musste auf den 29. Juni
1933 eine Bürgerausschusssitzung einberufen, die nur die Wahl eines Bürgermeisters
zu entscheiden hatte. Auch die Mitglieder von SPD und Zentrum, die im April
noch geduldet waren, gehörten nicht mehr dem Gremium an oder wurden an einer
Stimmabgabe gehindert. In seiner letzten Rede als Bürgermeister in dieser Sitzung
zeigte sich noch einmal die zwiespältige Haltung Grasers. Zuerst grenzt sich Graser
deutlich nach links ab, behauptet auch, dass seine Wahl durch den
Bürgerausschuss von KPD und SPD jeweils boykottiert wurde. Dabei stimmt dies
zumindest 1928 für die SPD nicht. Er habe auch gegen Widerstände für eine nationale
Einstellung gekämpft. Weiter sagt er: „Durch das Ergebnis der Reichstagswahl
vom 5.3.1933 und die Übernahme der Regierung durch den jetzigen Reichskanzler
Adolf Hitler wurde dieser Entwicklung endgültig Einhalt geboten. Die
Kommunistische Partei ist heute endgültig zerschlagen und die Gefahr einer Bol-
schewisierung von links beseitigt. Der Weg ist frei für den Aufbau eines nationalen
Staates und einer mit ihm verknüpften und verwurzelten Wirtschaft." Über seinen
Nachfolger Boos sagt er, er keime ihn „als einen geraden deutschen Mann mit offenem
und klarem Blick." Er gab ihm allerdings auch auf den Weg: „Seien Sie ein
Bürgermeister für alle Bürger."63
Ohne den zur Wahl stehenden Boos verfügte die NSDAP über 18 und die
Deutschnationalen über 2 Sitze. Diese 20 bestimmten Boos nun zum neuen Bürgermeister
. Die Wahl fand im Zeichensaal des heutigen Hans-Thoma-Gymnasiums
statt. Es verbietet sich in diesem Zusammenhang von einer Wahl zu sprechen, die
demokratischen Grundsätzen auch nur ansatzweise genügt. Boos und die nationalsozialistischen
Bürgerausschussmitglieder waren zur Wahl in SA-Uniform erschienen
.64 Am 31. Juli 1933 wurde das Dienstverhältnis der Stadt mit Graser beendet.
Danach arbeitete er bis 1947 als Syndikus bei den Kraftübertragungswerken
Rheinfelden. Von 1948 bis 1955 war er Landrat in Lörrach. Nur zwei Jahre danach
ist er gestorben. Sein Porträt hatte er sich von Adolf Strübe, dem Bruder von Hermann
Burte, gestalten lassen. Die mit Tendenz zur Auflösung der Formen gefertigte
Kohlezeichnung scheint so gar nicht zu dem Bild eines eher nüchtern handelnden
Verwaltungsjuristen zu passen.
Mit Boos hatte die Stadt nun einen Bürgermeister, der die Aufgabe der Selbstverwaltung
und die Abschaffung von Gemeindeparlamenten befürwortete und sich
als Vertreter einer Parteilinie sah. Er versuchte schon gar nicht, ein überparteiliches
Stadtoberhaupt für alle Bürger zu sein. Zu seiner Biographie nur so viel:
„1897 in Lörrach in einer Arbeiterfamilie geboren, acht Jahre Schule, kaufmännische
Lehre, Buchhalter, zweieinhalb Jahre als Soldat im ersten Weltkrieg; bis 1921
dann Angestellter bei der Stadtverwaltung Lörrach, anschließend wieder Buchhalter
und kaufmännischer Geschäftsführer eines kleinen Betriebs in Weil."65 1930
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