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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
78.2016, Heft 1.2016
Seite: 42
(PDF, 39 MB)
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dass sich in Lörrach hochfliegende nationalsozialistische Träume in der Stadtentwicklung
niederschlagen konnten. Es wird hier nicht auf Widerstand und Verfolgung
eingegangen.71 In die Verfolgung, insbesondere auch jüdischer Menschen,
war Boos als Teil des nationalsozialistischen Macht- und Gewaltapparates persönlich
verstrickt. Auch die Zeit Lörrachs im Zweiten Weltkrieg ist nicht Teil dieses
Aufsatzes. Es gehört aber ebenso zu den Legenden, dass Boos durch sein Eintreten
die Stadt am Kriegsende vor dem Beschuss durch die Franzosen gerettet habe,
auch wenn er dabei schwer verwundet wurde. Die Forschungen von Markus
Moehring ergeben hier ein deutlich anderes Bild.72

Als die französische Befreiungsarmee Lörrach am 24. April 1945 Lörrach besetzte
, wurde Boos entlassen. Rückwirkend erhielt er von dem von den Franzosen
eingesetzten Landrat Moerike folgende Nachricht: „Auf Befehl der Militärregierung
in Lörrach teile ich Ihnen mit, dass Sie mit Wirkung vom 25. April 1945 als
Bürgermeister der Stadt Lörrach entlassen sind."73 „Als Verwundeter kam er in ein
Lazarett, nach seiner Entlassung im August 1946 wurde er von den Franzosen verhaftet
und gehörte bis Weihnachten 1948 zu den Tausenden, die von der Besatzungsmacht
in Freiburg inhaftiert waren. Auf Intervention des Freiburger Erzbi-
schofs wurde er mit unter den letzten achtzehn Gefangenen entlassen."74 In der
Entscheidung vom 13.07.1949 im Säuberungsverfahren wurde ihm eine geringfügige
Sühnemaßnahme auferlegt und er durfte vorerst keine öffentlichen und politischen
Ämter bekleiden. Insgesamt wurde er aber nur als „Minderbelasteter" eingestuft
.75 Boos erhielt später keine Pension und kein Bild wie seine Vorgänger seit
Grether. Beides versuchte er einzuklagen bzw. einzufordern, jedoch erfolglos. Neben
dem Märchen von Boos als Retter Lörrachs bei Kriegsende heißt es im Nachruf
der Badischen Zeitung nach seinem Tod: „Reinhard Boos war, auch das wissen
die Älteren, den in Karlsruhe präsidierenden Parteioberen nicht eben selten ein unangenehmer
Vertreter. Manch eine Anordnung ließ er schleifen."76 Selbst in der angesehenen
Badischen Zeitung wurde noch 1979 das Bild vom „guten" Reinhard
Boos hochgehalten und mit keinem Wort seine Verstrickungen in Gewalt und Terror
erwähnt. Denn unangenehm war er den Parteioberen nicht, weil er gegen die
Parteilinie, sondern unabgestimmt handelte. Deshalb verlor er 1938 auch sein Amt
als Kreisleiter. So muss es vielleicht nicht verwundern, aber doch betroffen zur
Kenntnis genommen werden, dass Boos 1959 für die Freien Wähler, zu deren
Gründungsmitglied er gehörte, mit der zweithöchsten Stimmenzahl in den Lörracher
Stadtrat gewählt wurde. Zu dieser Zeit war der Widerstandskämpfer und KZ-
Häftling Braye Oberbürgermeister von Lörrach. In den fünfziger Jahren war es
aber keine Seltenheit mehr, dass ehemalige Nationalsozialisten wieder in Amt und
Würden kamen. In Weil wurde 1957 bei der ersten Direktwahl Wilhelm Schellenberg
, der Bürgermeister in der NS-Zeit von 1936 bis 1945 war, als Oberbürgermeister
gewählt.

„Die Franzosen wußten über die Verhältnisse hier genau Bescheid und hatten,
wie es scheint, auch schon eine Liste von Personen, mit denen sie bereit waren, zu
verhandeln. Ihre Kenntnisse verdankten sie den Vertrauensleuten aus dem Elsaß,

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