http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2016-01/0118
rung in Deutschland, erst recht in einer Kleinstadt von 20 000 Einwohnern, wie es
Lörrach damals war, blieben Bilder von van Gogh oder Gauguin, den Fauves oder
von den deutschen Expressionisten vermutlich unbekannt. Die Flut der Reproduktionen
, wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht.
Somit bildete die Zeit nach dem Krieg in des Wortes voller Bedeutung ein
kunstgeschichtliches Vakuum.
Es dürfte einleuchten, dass da, wo ein geistig-kulturelles Vakuum ist, kein Umbruch
in Gang gesetzt werden kann, der mit der radikalen künstlerischen Revolution
in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu vergleichen wäre.
Der Kunsthistoriker Jost Hermand unterscheidet in seinem Buch „Avantgarde
und Regression - 200 Jahre Deutsche Kunst" drei Richtungen, die für die Zeit
nach 1945 charakteristisch sind und auch für unsere Untersuchung relevant sein
können:
- Da ist zunächst die antifaschistische Gruppe, die engagiert und gesellschaftskritisch
, eine Kunst der Anklage oder Satire zum Ausdruck bringt.
Otto Pankok oder Karl Hubbuch zählen zu ihr. Mit ihren 4 bis 5% waren sie die
Engagierten am Rande, heute fast vergessen.
- Ebenso bescheiden sind die Anfänge der gegenstandslosen Malerei. Wenige Maler
, etwa 5 bis 8 % wie Willi Baumeister und Fritz Winter, knüpfen die Verbindung
an ihr Wirken von vor dem Krieg. Die Förderung ihrer Ausstellungen ist
eher durch die Absicht gekennzeichnet, ihre Verfemung durch die Nazis wiedergutzumachen
als durch ein profundes Verständnis. Sie finden kaum Anhänger,
stoßen vielmehr auf erbitterten Widerstand, - und dies vor allem durch jene
Künstler, die an einer expressiv-realistischen Darstellung festhalten.
- Damit ist die dritte Gruppe der Künstler der Nachkriegsjahre genannt. Sie rekrutiert
sich aus der auffallenden Mehrheit von 85 bis 90 %. Zu ihr gehört auch
Paul Ibenthaler.
Schwerpunkt ihrer Intentionen bildet die intensive Auseinandersetzung mit der
Kunst, die die Nationalsozialisten als entartet diffamiert hatten.
Der jungen Generation geht es um eine Revision, um eine Bilanzierung der
Avantgarde. Zuweilen bis zur Neige müssen dabei die innovativen Veränderungen
und revolutionären Wirkungsmöglichkeiten der Moderne nun von der Nachkriegsgeneration
im eigenen künstlerischen Prozess nachvollzogen und untersucht werden
.
1993 veranstaltete die Stadt Ochsenhausen anlässlich ihrer 900-Jahr-Feier u. a.
eine Ausstellung mit dem Ziel, Kunst- und Ausstellungsaktivitäten im Raum
Oberschwaben - Bodensee zwischen den Jahren 1947 und 1957 zu rekonstruieren
und zu dokumentieren.
Der dazugehörige Katalog kam mir zufällig in die Hand. Das Buch stellt über 30
ausgewählte Künstler aus dieser Region vor. Die meisten der genannten sind entweder
im ersten oder im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geboren. Mit ihrer
künstlerischen Tätigkeit beginnen sie alle ausnahmslos ab 1946/47.
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