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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
78.2016, Heft 1.2016
Seite: 118
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fortzuführen, waren die inhaltlichen Herausforderungen der Nachkriegszeit zu
überwältigend, und es fehlte der durch den Krieg physisch und psychisch geschädigten
Künstlergeneration an visionärer Weitsicht und innerer Kraft.

Das Bedeutsame der ersten Ausstellungen, die ab 1947 Ibenthaler zusammen
mit anderen Markgräfler Malern oder auch allein veranstaltete, lag also nicht im
Innovativen, im Neuartigen.

Was da gezeigt wurde, konfrontierte die interessierte Bevölkerung von Lörrach
mittelbar mit der Kunst des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts. Die Künstler
konnten insofern als eine Avantgarde angesehen werden, als sie eine neue Brücke
mit Blick auf die abgebrochene Tradition der Brücke-Künstler sowie der anderen
Expressionisten aus den Jahren 1905/1915 hinüber in die Nachkriegszeit schlugen.

Ibenthaler und die anderen, die gesamte Nachkriegsgeneration waren notwendige
Überbringer, Vermittler dessen, was sich künstlerisch-kulturell vor dem Faschismus
in Deutschland und in Europa außerhalb Deutschland entfalten konnte.

Hofstätter, der ja aus Lörrach kommt, etwas älter als ich und insofern das Geschehen
als bewusst beobachtender Zeitzeuge verfolgen konnte, spricht von „geistig
erregenden Jahren." Und er schreibt: „Es kam alles ins Blickfeld, was in der
ersten Hälfte des Jahrhunderts entstanden war."

Ein kurzer Blick über die südwestdeutsche Provinz hinaus nach Berlin zeigt, dass
die geschilderte Entwicklung nach 1945 auch dort zutrifft. Noch war Berlin die
Hauptstadt Deutschlands. Die Militärverwaltungen der vier Siegermächte übten die
Hoheitsrechte jeweils in ihrem Sektor aus. Die Einheit der Stadt blieb noch gewahrt.
Carl Hofer, ein moderner, aber gegenständlich arbeitender Maler, wurde zum Direktor
der Kunstschule Berlin-Charlottenburg ernannt, die mit ihrer Neugründung an
die Tradition der Moderne anknüpfte. Auch hier sollte die künstlerische Entwicklung
, die die Nationalsozialisten abgebrochen hatten, weitergeführt werden.

Die rege Ausstellungstätigkeit war auch hier getragen von einer Aufbruchs Stimmung
. Doch zielte sie in der Hauptstadt wie überall in Deutschland weniger auf einen
Neuanfang als vielmehr auf die Erneuerung des Vorausgegangenen.

Es kann nicht genug betont werden, dass die Künstler der Nachkriegsjahre eine
unumgängliche Rezeption dessen in die Wege leiteten, was künstlerisch außerhalb
Deutschlands entwickelt worden war und aufgrund der politischen Verhältnisse
nicht in Erfahrung gebracht werden konnte.

Die Künstler webten mit ihren Bildern Fäden der Kontinuität in das durchtrennte
Kunstgeschehen nach 1945. Sie waren gleichsam geistige Katalysatoren in einem
nicht nur materiell ausgehungerten Land.

Was das Werk Paul Ibenthalers angeht, lässt sich sagen, dass seine spätexpressionistische
Bildsprache und die damit verbundenen künstlerischen Ziele vor dem
zeitgeschichtlichen Hintergrund als unumgängliche Notwendigkeit einzuschätzen
sind und sich ohne alle Schwierigkeit in das Gesamtbild der künstlerischen Auseinandersetzung
nach 1945 einbinden lassen.

Im weiteren Verlauf unserer Überlegungen ist nun zu fragen und eine Erklärung
dafür zu finden, warum Ibenthaler die spätexpressionistische Form 55 Jahre lang

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