Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
79.2017, Heft 1.2017
Seite: 43
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2017-01/0045
Meine Eltern meinten es gewiß aufs beste, als sie mich nahen Verwandten, den
Adler Wirts Eheleuten in Lörrach in Verpflegung gaben; aber es war daselbst nicht
gut für mich gesorgt. Ich hatte daselbst nur ein dunkles Schlafzimmer, in dem ich
nicht arbeiten konnte und das ich ohnedies mit einem älteren ledigen Herrn, der
mir jedoch viel Liebe erwies, theilen mußte. So war ich genöthigt, da zudem ein
kalter Winter eintrat, in der warmen Gast- oder Wirthsstube mitten unter den Gästen
meine Arbeiten zu verrichten und meine Zeit außer den Unterrichts- und Vergnügungsstunden
zu zubringen. Was ich da, namentlich an Sonntagabenden gehört, gesehen
und erfahren habe, will ich nicht schildern - es läßt sich leicht denken - kurz
ich empfing da in meine junge, für Alles empfängliche Seele, Eindrücke, die nur
verderblich für mich werden konnten. Ich konnte treiben, was ich wollte; niemand
überwachte mich.

Ich konnte z. B. noch Nachts 10 Uhr im Theater sein2' (das ich leidenschaftlich
liebte und in das ich aus einem besonderen Grunde freien Zutritt hatte) ohne daß
meine Hausleute davon wußten und fand bei verschlossenen Thüren „unbeschrie-
en" meinen Weg in meine Schlafkammer. Das kleine Gewissen rumorte wohl hie
und da, aber die Leidenschaft war stärker. Diese Verhältnisse, welche sich auch auf
meine Leistungen der Schule nicht eben günstig einwirkten, kamen, ich weiß nicht
durch wen, wenigstens zu einiger Kenntniß meiner guten Eltern und die Folge davon
war, daß ich mit dem Beginn des zweiten Sommerquartals täglich von Wollbach
in die Schule nach Lörrach und zurückwandern mußte. Das Mittagessen trug ich in
einer Blechkapsel mit zur Stadt, wo es im Schulzimmer verzehrt wurde. Durch dieses
Wanderleben, wobei der kindliche Muthwillen in Begleitung von Mitschülern
auch hie und da zum Ausbruch kam, ging wiederum viel Zeit zum Lernen vorüber;
doch blieb ich hinter meinen Mitschülern nicht zurück und meine körperliche Kraft
und Gesundheit hatte davon offenbar Gewinn. Auch blieb ich von den vorerwähnten
wunderlichen Einflüssen auf meine junge Seele behütet.

Das Schlußexamen des ersten Jahres, fiel ohngeachtet der erwähnten ungünstigen
Umstände ziemlich zu meinen Gunsten aus und so waren auch meine lieben Eltern
mit mir zufrieden. Es nahte nun aber der Winter und entstand die Frage: Wo mich
unterbringen in Lörrach? Einer der Lehrer, Zimmer3 nachmaliger Pfarrer in Linx,
hatte zwei Zimmer im Pädagogiumsgebäude selbst, deren Fenster in den Hof gien-
gen, frei. Das Erstere durch welches der Zutritt zum anderen führte, wurde mir zur
Wohnung zugewiesen, das andere zwei Söhnen des Pfarrers Hönig4 von Wittlingen.
Das Essen erhielt ich abermals im Adlerwirtshaus.

Ach, theure Eltern, Ihr meintet es damit, ich weiß es ja, so gut, habt weder
gedacht noch erfahren, welch Unheil da Eurem Kind, das Ihr so sehr lieb habt,
widerfahren ist, das für seine glückliche Entwicklung so äußerst nachtheilig geworden
ist und ihn sein ganzes Leben so schmerzlich verbittert hat. Ich stehe hier
an einem Wendepunct meines Lebens, auf den ich nur mit der tiefsten Betrübniß
zurückblicken kann. Damals verstand ich es nicht, was mit mir geschah, von mir
geschah und ich mit mir geschehen ließ. Aber es hätte mich leicht an den Abgrund
des Verderbens bringen können, wenn nicht die zuchtvolle Hand des allsehenden

43


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2017-01/0045