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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
79.2017, Heft 1.2017
Seite: 58
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am lebhaftesten für die Republick sprachen und schrieen, wurden bald die Stillesten
und Furchtsamsten. Man möchte fast sagen, wenn es nicht eine Schande wäre, die
Feigheit habe alle besseren Vorsätze zurückgedrängt. Auf jeden Fall hat das badische
Volk viel von seinem Ruhm verloren. Kamen ja Fälle vor, daß übelgesinnte
Mitbürger ihre anerkannt besten Bürger anschwärzten oder verriethen mit der Absicht
, sie zu verderben. Wie betrüben solche Erscheinungen den wahren Vaterlandsfreund
. Schreiber dieses mußte selbst die Erfahrung machen, daß ein großer Theil
der Bürger sich von ihm abwandte, weil er immer für Recht, Gesetz und Verfassung
sprach und vor Dingen und Unternehmungen warnte, die sich nun in ihrer Verderblichkeit
herausgestellt haben. Welche thörichten Vorstellungen im Volke (der großen
Masse) herrschten, dafür nur folgende Beispiele: Unter Republick wurde völlige
oder doch fast völlige Abgabenfreiheit und „Zügellosigkeit" oder auch Herrschaft
der Bauern über die sogenannten Herren verstanden. „Jetzt sind wir Meister" hieß
es unter dem Landvolk. „Er hält es mit den Herren", das war ein böses Prädikat. Ein
Schreinergesell u.s.w. glaubte: er könne und werde bei der neuen Ordnung Pfarrer
oder Amtmann werden, und dergleichen Ansichten mehr. Eine weitere schlimme
Erscheinung ist die durch einen großen Theil der Bevölkerung hindurch gehende
Falschheit und Heuchelei, infolge derer kein Nachbar mehr dem anderen traut.

Die letzte Quelle hiervon ist indeß (wenigstens im Oberland) der Eigennutz und
die Selbstsucht in Verbindung mit tief gesunkener Religiosität, die innere Herzensfrömmigkeit
ist unter äußerer Beobachtung religiöser Formen zu Grunde gegangen.

Viel besprochen wurde das zusammengetretene deutschen Parlament23, von dem
in meinem Tagebuch die Bemerkung steht: „parturient montes"24 was sich später als
Wahrheit herausgestellt hat. Man gab zwar dem deutschen Reich in der Person des
Erzherzogs Johann von Österreich einen Reichsverweser (bis zur vermeintlichen
Wahl eines Kaisers) aber er mußte bald wieder von diesem Amt zurücktreten und
der anfängliche Strohm Begeisterung verrann im Sande. Zwischen „Frankfurt" und
„Stuttgart" liegt eine traurige Geschichte. In meinem Tagebuch steht aus dieser Zeit:
„Eine große, schöne Zeit scheint mit diesem Jahr nicht nur für Deutschland, sondern
für alle Völker Europas zu beginnen, eine Zeit wie die Weltgeschichte (außer
der Erscheinung Christi) noch keine erlebt hat. Möge damit auch mein Leben sich
so gestalten, daß es der schöneren Zeit entspricht und mich würdig findet, ein Zeitgenosse
der wichtigsten Ereignisse zu sein, die diese Tage ans Licht treten lassen!
Mit dem festen Entschluß, das Meinige hie zu mit Treue zu thun und mit der Liebe,
daß der Allmächtige mich dazu stärken möge durch seinen Heiligen Geist und seiner
Kraft will ich denn in das neue Lebensjahr (6. Juni) eintreten. Herr, König der
Welt, du hast Großes mit uns vor; laß mich, laß all die Meinen, laß alle deine Treuen
darauf gerüstet sein! Amen!"25

Noch war freilich in Gottes Rat die rechte Stunde noch nicht gekommen; aber es
war doch eine Station auf dem Weg zum schönen Ziele.

Zur Bezeichnung meiner damaligen Stellung zu den Fragen der Zeit möge folgendes
dienen; am 7. Juni 1848 (mein Geburtstag) wohnte ich einer größeren Versammlung
von Geistlichen, es waren auch etliche andere da, in Steinen an, bei welcher

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