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gänzlich zugrunde gingen. Ungefähr hundert Jahre später neubegründet
steht sie mitten in den geistigen Bestrebungen der lothringischen Reform
und der Ottonischen Kunsttätigkeit.
Das sind die Epochen des geistigen Lebens, welche die Bibliothek
auch heute noch in ihren kärglichen Resten widerspiegelt und die
durch das Mittelalter hindurch die Grundlagen ihres Lebens blieben. Je
reicher aber und mannigfaltiger die geistigen Bestrebungen des Mittelalters
werden, umso umfassender wird die Bücherei des Klosters. Sein
fünfter Abt ist Bertulf I., der Schüler des hl. Poppo von Stablo; unter
ihm konnte die Abtei zum erstenmal (104g) einen Papst in ihren Mauern
beherbergen, Leo IX. Diese beiden Namen, Poppo und Leo IX. genügen,
glaube ich, um die Geistesrichtung der Ordensleute zu charakterisieren
(1). Hundert Jahre später 1147 ist wieder ein Papst in St. Matthias;
diesmal ist es Eugen III., der damals die heute noch stehende Kirche
konsekrierte. In seiner Begleitung war sein Lehrer, der hl. Bernhard
von Clairvaux. Auf sein Drängen und nach seinem Rat hat Eugen III.
damals in Trier die Angelegenheit der hl. Hildegard geregelt. Es ist
also kein Wunder, dass die Schriften beider Heiligen gar oft im Katalog
der Bibliothek wiederkehren (2). Neben diesen Exponenten der Mystik
haben in fast noch grösserer Zahl die Werke der Scholastiker auf den
Pulten der Bücherei Platz genommen. Die grossen Söhne der Bettelorden
Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Bonaventura haben, wie
die erhaltenen Hss. beweisen, in St. Matthias eifrige Leser gefunden.
Ganz besonders haben die beiden Aebte Jakob und Theoderich aus
dem herzoglichen Hause Lothringen, die von 1211-1287 den Abtsstab
trugen, das geistige Leben gepflegt. Der ältere von ihnen war nicht nur
ein grosser Förderer der Kunst — er hat z. B. die Marienkapelle bauen,
das Refektorium mit Glasmalereien schmücken und die unschätzbare
Tafel der Kreuzpartikel anfertigen lassen — er hat auch für die Vermehrung
der Bücher gesorgt (3). Unter dem jüngeren wurde der sieben-
1) Poppo von Stablo war der Vertrauensmann der Kaiser für die Reform der
Benedictinerklöster in Deutschland ; sie unterstellten ihm zu diesem Zwecke u. a.
die Abteien Hersfeld, St. Gallen, St. Maximin und Echternach, (vergl. P. Ladewig:
Poppo von Stablo, Berlin, 1883) Leo IX. hatte als lothringischer Graf und Bischof
von Toul den Krc isen, deren eifriger Mitarbeit die lothringische Reform ihre durchschlagenden
Wirkungen verdankte, verwandtschaftlich und amtlich nahegestanden.
Seine Bestrebungen betr. der materiellen Sicherstellung bezw. Aufbesserung der
Klöster dienten vor allem der Erneuerung und Befestigung des monastischen Geistes
(vergl. Raissa Bloch, Die Klosterpolitik Leos IX. in Deutschland, Burgund
und Italien. Berk Diss. 1927.)
2) Auch das Interesse das Bernhard für das hl. Land geweckt, blieb lange im
Kloster lebendig ; man beachte nur die mannigfachen Reisebeschreibungen.
3) Vergl. S 67.
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