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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
33. Heft.1953
Seite: 161
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Siechenhaus", dessen letzte Spur im Gewannamen „am Siechensteg"
erhalten blieb.

Man hat das Weiterschlummern des Ursprünglichen und sein bis-
weiliges Erwachen im Brauchtum nicht selten mit dem Worte Aberglauben
abgetan. Daß die Schwarzacher Äbte in der unseligen Hexenzeit
viel „Geheimnisvolles" verboten haben, ist begreiflich, so die
alten Beteltänze in der Bittwoche, das Holzbetteln für die Frauenfastnacht
, das Mischen der drei geweihten Brote in die Viehtränke,
die Sprüch und Zeichen der Hebammen, wie das Schlucken von erbetteltem
Wein, wobei man an „die drei alten Frauen" denken
mußte, oder das Schlucken von Brot, das man einem Bettler um drei
Pfennig abgekauft hatte; verboten wurde auch die uralte Beschwörung
der Weistümer „von genaden und peths wegen"332).

Dagegen blieben die Steuern der uralten „Beten", die ehedem Abgaben
für kultische Erfordernisse waren. Geblieben ist auch mancher
alte Brauch, zum Teil bis heute. Noch nennt man den Kräuterbuschel
vom großen Frauentag im Schwarzachischen „Wihen", die vorgermanische
„vigha", die man zum nächtlichen Kult der drei Ewigen
trug; man trägt immer noch bei der letzten Prozession der Bittwoche
das Bildnis unserer Lieben Frau durchs Feld. Man erzählt auch heute
noch den Kindern, wenn das brennende Holz im Ofen singt, mit
flüsternder Ehrfurcht vom „Mariännel"; wenn die Kinder fragen, wer
das ist, sagt man zu ihnen; „das weiß man nimmer recht". —

2.

Die Bedeutung der Reichsabteien als älteste Kulturposten ist auch
wirtschaftlich gesehen sehr groß. Der Boden, auf welchem die wirtschaftliche
Gestaltung wuchs, sind vor allem die Weistümer,
Darlegungen eines ungeschriebenen Rechtes „von solicher zit, die
niemen vurdenket". Die eigentlichen Merkmale der Weistümer sind
ihr gewohnheitsrechtlicher Inhalt, ihre Regelung einer bäuerlichen
Genossenschaft allein oder ihrer Beziehung zur Herrschaft, ihre Zugehörigkeit
zum bäuerlichen Lebenskreis, ihre lokale Begrenzung
und ihr ältestes überlieferungsgut germanischer Rechtsgesinnung333).
Dadurch, daß die Weistümer aus dem Munde der Bauern kamen,
wurden sie das Werk einer ganz eigenartigen bäuerlichen Rechtsprechung
.

Jakob Grimm nennt sie „reine, unverfälschte Äußerungen der

332) Schwarzacher Hebammenordnung 1650.
inj pehr, Deutsche Rechtsgeschichte.

Ii Die Ortenau

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