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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
33. Heft.1953
Seite: 170
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1953/0170
Mit allen Künsten versuchte der Schaffner Abt Martin zu bewegen,
seinem Herrn als gutem Nachbar Pfarrsatz und Zehntrecht anheimzustellen
, da eine Übernahme durch das Stift Baden bloß weitere
Irrungen gebären dürfte. Graf Philipp würde das Pfarrhaus errichten
und die Untertanen „mit einem ruglichen und ime leidenlichen pfar-
hern ... zu erhaltung nachpürlichs fridens und einigkheit" versorgen.
Und da in diesen Tagen Beatus Matzenhover vor dem Kirchenkonvente
zu Straßburg seine Hinterhältigkeit gebüßt und Verzeihung
erlangt hatte, ließ sich Graf Philipp bestimmen, ihm die Pfarrei
Lichtenau endgültig zu übertragen21).

Schweren Herzens fügten sich Abt und Konvent ins Unvermeid-

21) Laut Tagebuch des D. Johannes Marbach, Professors und Präsidenten des Kirchenkonvents Straßburg
, vom 16. Oktober 1553 war BeatusMatzenhover, ein Student aus Zürich, von D. Kaspar
Hedio auf Kosten der Stadt Straßburg in das Kollegium Wilhelmitanum und nach Hedios Tod {17.10.1552)
in das Predigerseminar im Hause Marbachs aufgenommen worden. Dabei hatten sich die Straßburger
die schriftliche Versicherung geben lassen, daß die Stadt Zürich keinen Anspruch auf Matzenhover mehr
erheben werde. Als dieser nun seine Studien beendigt hatte, versprach ihm Marbach ,,zu einer gutten
condition uff das Land zu helffen"; er müßte aber zuvor „unserer Lehr gewiß sein" und „abnegato
Zwinglianismo" sich dem Examen und der öffentlichen Ordination in der Kirche unterziehen. Dies schlug
Matzenhover aber mit dem Bemerken ab, er könnte sich in Straßburg weder examinieren noch ordinieren
lassen wegen seiner Landsleute, die gegenwärtig seien und denen er versprochen habe, niemals von der
Zwinglischen Lehre abweichen zu wollen. Übrigens habe ihm „Leonhardus, der hanauische Super-
attendens" (ein früherer Diakon Marbachs), bereits eine Stelle auf dem Land unter dem Grafen von
Hanau zugesagt. Marbach erklärte ihm, daß er infolge der genossenen Stipendien der Stadt verbunden
sei und von ihm dieser Verpflichtung nicht enthoben werden könnte. Am folgenden Morgen (17.) begab
sich Leonhardus, der gerade in Strasburg war, zu Marbach und bedeutete ihm: ,,sein gn. Herr bedürfe
kirchen diener und were ihm dieser befelch geben, nach gelerten Leuten nachfrog zu haben". Matzenhover
gefalle ihm, ,,wie wol er bekenne, daß er sententiam Tigurinorum nit kundte damniren, so
wolle er doch vom Sacrament laut der Cölnischen Confession predigen". Alle Warnungen Marbachs,
man möge doch ,,im Hanauerland" keine derartigen unwahrhaftigen Prediger, ,,die anders glauben,
dann sie lehren und bekennen", anstellen, blieben erfolglos. Leonhardus geleitete den Kandidaten
sofort gen Buchsweiler, wo ihn die Räte gleichwohl annahmen. Nun traf es sich, daß die fünf Straßburger
Diakonen Johann Englisch, Lorenz Offner, Jacob Gloccer, Nikolaus Florus und Matthäus
Wegelin, die diese Woche miteinander ,,in Herpst spaziren zogen", auf ihrem Heimweg den 18. Oktober
von ungefähr Pfaffenhofen berührten und dem Gottesdienst beiwohnten. Nach demselben lud Leonhardus
die ahnungslosen Diakonen ein, sich in die Sakristei zu begeben. Dort forderte er den Kandidaten
Matzenhover auf, in Gegenwart des gräflich hanauischen Sekretärs Dr. Johannes Fleischbein vor diesen
Straßburger Theologen sein Glaubensbekenntnis abzulegen. Auf Befragen des Superattendenten, ob er
glaube, daß der wahre Leib und Blut Christi im Nachtmahl genossen werde, soll er mit einem lauten
Ja! geantwortet haben. Als Leonhardus darauf die Diakonen um ihr Urteil bat, äußerten sie ihre Zufriedenheit
, allerdings mit dem Hinzufügen: ,,sie kundten ihm ins Herz nit sehen; so es aber in seinem
Herzen also geschaffen, wie er mit Worten vor ihnen bekannt, so lassen sie ihm die getane Bekenntnis
wol gefallen". Infolgedessen wurde Beatus Matzenhover durch Sekretär Fleischbein in hanauische
Dienste angenommen und den Winter über die Kirche in Lichtenau zu versehen verordnet, auch am
22. daselbst ordiniert und der Gemeinde präsentiert. Nicht allein Marbach, sondern auch die Scholarchen
waren über dieses unnachbarliche Verhalten der hanauischen Räte sehr aufgebracht. Trotzdem wollten
sie Hanau auch fernerhin ihre geneigten Dienste in der Beförderung seiner Kirche erzeigen, doch unter
der Voraussetzung, daß der Graf niemand aus ihrer Schule, der nicht ein gewisses Zeugnis seiner Lehre
und seines Lebens von ihnen vorzuweisen hätte, annehmen wollte: Dann würde man diesen Brauch in
die Kirche einreißen lassen, so dürfte sie in Kürze ganz verwüstet und voll eitel Sektierern sein! Auf
beider Ansuchen ließ D. Marbach am 24. November den Kirchenkonvent zusammentreten, worin Leonhardus
, nunmehr Pfarrer zu Kork, und Beatus Matzenhover Buße taten und Verzeihung erlangten
(Diarium Marbachii des Thomasarchivs im Stadtarchiv Straßburg. Siehe auch Adam, S. 102).

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