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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
33. Heft.1953
Seite: 172
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Unterm 22. Mai bat Abt Martin um etliche Ornate und Bücher der
Kirchen zu Scherzheim und Lichtenau, ,,so nit gepraucht werden,
sonder verderben", welche ihm auch verabfolgt wurden. Die letzten
Zeichen des alten Glaubens23)! Das Wesen der mittelalterlichen
Kirche wurzelte aber zu tief im Gemütsleben des Volkes; die einzelnen
Züge konnten erst im Laufe der Jahrhunderte ausgeschieden
werden.

Einmal noch drohte Gefahr. Als der katholische Graf Jakob von
Bitsch seinen halben Teil an Stadt und Gericht Lichtenau wieder
einlöste, glaubten seine Abgeordneten bei den Einräumungsverhandlungen
am 4. Februar 1564 unter Berufung auf Reichstagsabschied
und Religionsfrieden die Frage einer Glaubensänderung aufwerfen
zu dürfen. Unter dem Hinweis, daß ihr Herr die Kollatur allein erkauft
habe, schlugen die hanauischen Unterhändler diesen Vorstoß
gegen das auf reformatorischer Grundlage sich eben aufbauende
Kirchenwesen des Gerichts für immer ab (Punkt 9 ,,Das angefochten
Schifflein Petri . . .").

So hat Graf Philipp IV. von Hanau den Bruch mit der alten Kirche
endgültig herbeigeführt und den offenen Anschluß an die Sache der
Reformation vollzogen. Damit ist er unzweifelhaft einem allgemeinen
und seit lange gehegten Verlangen der Untertanen entgegengekommen.
Bei dieser Neuordnung der kirchlichen Angelegenheiten des Gerichts
wurde Lichtenau unter Aufhebung seiner Kaplanei an Stelle Scherzheims
öffentlich zur Pfarrei erhoben und Beatus Matzenhover als
erster Pfarrer „nach beschehener Kirchenreformation" daselbst belassen24
). Im selben Sommer erwarb der Graf zum Bauplatz des neuen
Pfarrhauses die Hofreite zwischen der nunmehrigen Pfarrkirche und
der Stadtmauer, den Pfarrhof von heute. Die Scherzheimer Kirche

M) Daß die Hanauer Bauern nicht unter die Bilderstürmer geraten waren, beweist das „Inventarium
und Verzeichnis der Meßgewand, Altarthüecher, Korhembder und aller anderer Rüstung, so in den
sechs Kirchen des Ambts Willstett funden und den Messnern jedes Ohrts überlifert worden ist. Anno
1555. (Amt Kork, Konvolut, 5.) Das auffälligste Zeichen des neuen Glaubens, die große deutsche Bibel
D. Martin Luthers, war allerdings erst auf dem Altar der Korker Kirche zu finden, daneben das große
deutsche Gesangbuch auf einem Pult für den Vorsänger. Uber Willstätt selbst berichtet Daniel Specklins
Chronik, S. 116: „Anno 1566 hat graf Phillips der Elter, Herr von Hanau, in seinem Land die Pfaltz-
gräfische Ordnung, nemlich den Calvinismum, angefangen und die taflen zu Wildstett aus dem chor abgerissen
, den taufstein aus den kirchen geworffen und aus einem becken angefangen zu tauften . . ."
Für Bischofsheim verhandelte der Lichtenauer Stadtschreiber erst 1581 die kupfervergoldeten Monstranzen
bei den Goldschmieden in Straßburg.

24) Nach der örtlichen Uberlieferung wäre Lichtenau 1543 durch den Pfarrer Thomas Mathesius
zur evangelischen Lehre übergetreten (Vierordt), Tatsächlich erscheint derselbe erst als Nr. 4 der Pfarrreihe
, von 1562 bis 1571. Im Herbst 1565 begann er die Anlage des Kirchenbuches mit Tauf- und Eheeinträgen
. Dadurch war sein Name den Kirchspielsleuten als ältester evangelischer Seelsorger bekannt,
die damit die Nachricht der 1659 erschienenen neuen Ausgabe der hanauisch-lichtenbergischen Kirchenordnung
verknüpften, wonach die Reformation in der Grafschaft allgemein 1543 eingeführt worden
sein soll.

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