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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 73
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des „Fingerwurms", zurückzuführen. Mit diesen Auffassungen in
engster Verbindung stand die Furcht vor Menschen, die der Dämonen
Willen zu lenken verstanden, den Zauberern und den Hexen,
denn es stand zweierlei in deren Macht: den Opfern die Dämonen
auf den Hals zu hetzen und sie auch wieder zum „Ausfahren" zu
zwingen; doch gelten die Hexen allgemein als nur negativ begabt,
denn die behexten Menschen, Tiere und Dinge konnten nur von besonderen
Personen, nicht aber von den Hexen selbst, entzaubert
werden. Jedoch auch der Zauberer wandte seine Kräfte vorzugsweise
in schlimmem Sinne an. Als unheimlichstes Mittel stand ihm
das Pflanzengift zur Verfügung. Als älteste Gifte wurden die des
Eisenhutes und der Nieswurz verwendet. Insofern bestimmte Krankheiten
dem Götterzorn zugeschrieben wurden, hatte der Opferpriester
die Sühne durch das öffentliche, blutige Kultopfer zu bewirken.
Teile der Opfertiere — Gliedmaßen — wurden, nachdem das Kultopfer
längst abgekommen war, in Nachbildungen noch medizinisch
verwendet; man sieht sie noch heute an Wallfahrtsorten, aber ihr
ursprünglicher Sinn ist in christlichen Vorstellungen untergegangen.
Da und dort sind tierische Organe, wie Herz, Gehirn, Leber, Milz
und Galle, selbst feste und flüssige Ausscheidungen, häufig gebrauchte
Heilmittel. An die Stelle des Opferpriesters trat mit der
Abschaffung des Sühneopfers der Zauberer, dessen Wirken aber
unter dem Siegel des Geheimnisses stand, so daß die Ziehung
scharfer Grenzen zwischen Kult und Medizin und zwischen gutartigem
Heilzauber und bösartiger Verzauberung kaum möglich
sein dürfte.

Als ältestes therapeutisches Mittel des Heilzaubers darf wohl die
suggestive Besprechung des Kranken gelten. Sie entwickelte sich
aus den ursprünglich lediglich zur Verstärkung des Geheimnisvollen
um das Wesen des Heilzaubers: nicht nur die Zauberer beiderlei
Geschlechter, auch die Hebammen hatten bald die beruhigende
respektive konzentrierende Wirkung des gehauchten oder geraunten
Wortes erkannt und wandten sie bald bewußt in beeinflussendem
Sinne an. Durch bloßes Anhauchen vertrieb man den Dämon, der
die Halsdrüsen zum Anschwellen gebracht oder einen Kropf hatte
wachsen lassen. Mag die wissenschaftliche Medizin noch in unserm
Jahrhundert die Suggestion der Volksmedizin abgelehnt haben: die
Stillung von Blutungen und das — erfolgsichere — Besprechen von
Warzen sind unableugbare Tatsachen.

Die Zauberworte hießen entsprechend ihrer Anwendung „Raunen-

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