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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 74
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zauber", die später geschriebenen Raunwörter nannte man „Runen",
und hieraus leitet sich die Bezeichnung „Runenzauber" ab.

An die Stelle des genannten Wortes setzte der findige Zauberer
erst gelegentlich, dann, je nach Anfordern, zur Vertreibung der
Dämonen das Rufen und schließlich das Schreien. Daraus entstanden
die Begriffe „Berufen" und „Beschreien"; sie werden noch heute in
negativem Sinne zur Abwehr respektive Austreibung von Dämonen
gebraucht: „Berufe — beschreie es nicht!" Oder: Ein bettnässendes
Kind tut zur Austreibung des Dämons „unbeschrien" drei Sprünge
über ein ausgehobenes Grab. Oder: „Dem Kranken geht es — .unberufen
' — besser".

Weniger volkstümlich als der Wortzauber war der Stein-
zauber, der in „Fels und Stein" heilende Kräfte vermutete, beispielsweise
in Donnars Steinhammer; aber Bernstein, Perle, Smaragd
und Saphir waren nur den Reichen zugänglich, und die Kräuterbücher
waren allein schon wegen der leichten Erreichbarkeit der in
ihnen verzeichneten Heilmittel dem Volke näher als die Steinbücher,
deren Inhalt dem Volke auch wegen der Aufbereitung der Steine
ziemlich fremd blieb.

Am offenkundigsten zeigen sich im Kräuterzauber reale
Kenntnisse des Volkes über Heilpflanzen, wenn auch in teilweise
animistischer Umsponnenheit: Früh schon legte man Wegerichblätter
auf Wunden, eiternde Geschwüre und Insektenstiche, trank man
ihren Absud gegen Husten, Fieber und — Gift; früh schon nutzte
man die schmerzstillende Wirkung des Bilsenkrautes und die schlafbringende
Kraft des Mohnsamens, die man durch verschieden bemessene
Dosierung respektive Konzentration abzustufen wußte. Auch
das Wesen der bereits erwähnten Beklemmungszustände infolge von
Überfüllung der Eingeweide hatte man erkannt und vertrieb nicht
mehr den „albischen Nachtschaden" als Dämon, sondern man milderte
die Beschwerden durch den Absud eines Giftkräutleins, dessen
Name als „Nachtschatten" in die Botanik eingegangen ist.

Solange man in der Krankheit dämonischen Ursprung sah, suchte
man auch die Wirkung der Heilkräuter durch Bezeichnung als
Zauberpflanzen zu erklären — wohl auch zu schützen — und verband
sogar ihre Sammlung, Zubereitung und Verabreichung mit
zauberischem Dunkel: gewisse Kräuter wurden nur zu ganz bestimmten
Jahreszeiten, Tagen und sogar Stunden gegraben oder geschluckt
; ob sich aber dahinter nicht schon pharmazeutische Kenntnisse
, beispielsweise über größten Wirkungsgrad von Pflanzenteilen
im Zustand der Blüte usw., bargen, dürfte noch zu untersuchen sein.

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