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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 77
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weiblein", von welchem ich Ihnen nunmehr Näheres berichten
will, war noch Arzt und Apotheker in einer Person.

Sie war meiner Mutter Schwester und wurde Mitte des vorigen
Jahrhunderts geboren; deren Mutter, die zweite der Reihe, wurde
fünfundzwanzig Jahre früher geboren, und die Begründerin der
„Dynastie" war ihr blutsverwandt; sie ist 1710 geboren und machte
sich nach der über sie hereingebrochenen Katastrophe bei den
Eltern ihrer nachmaligen Schülerin, unter Aufgabe ihrer Heimat,
ansässig. Auch die letzte der Reihe wohnte im Hause meiner Eltern:
in einem auf ihre Kosten erstellten Anbau, von wegen des ,,Un-
muses" und mehr noch wegen der Ansteckungsgefahr. Von frühester
Jugend an verbrachte ich, trotz der Abmahnung meiner Eltern, die
meiste Zeit bei der geheimnisvollen Bas, und als sie erst meine
Neigung — und wohl meine Eignung — zum Berufe des Arztes erkannt
hatte, setzte sie beim Vater die Einwilligung zum Studium
durch und bestritt dann auch die Aufwendungen fast ganz aus ihrer
Tasche. Früh schon führte sie mich ein in die ersten Handgriffe des
„Handwerksmäßigen" ihrer Kunst: zunächst das Anlegen von Verbänden
nach der Reinigung der Wunden, worauf sie allergrößte
Sorgfalt verwandte. Selbst das Einrenken ausgekugelter Schultergelenke
und das behelfsmäßige Schienen von Knochenbrüchen verstand
sie ganz ausgezeichnet, überwies aber die eigentliche Behandlung
dem Chirurgen, sofern solcher erreichbar war. Zum Handwerksmäßigen
rechnete sie auch das Einsammeln der Heilkräuter, erst
recht aber deren sachgemäße Trocknung, die Aufbereitung und die
zweckmäßige Aufbewahrung. Sie beherrschte die Kräuterkunde universal
und legte besonderen Wert auf richtige Benennung der Pflanzen
, die sie mir auf der Grundlage des Linneschen Systems beibrachte
. So war mir auch bald das Bestimmen der Pflanzen geläufig,
die Lehrmeisterin bewahrte mich dadurch auch vor — unter Umständen
verhängnisvollen — Verwechslungen. Die Anlage von Herbarien
lehnte sie ab: ihr Herbarium waren die Säcklein, Dosen und
Büchsen. Äußerste Sorgfalt verwandte sie auf die Bereitung von Absuden
und auf das Ausziehen von Säften und deren Konservierung.
Was ihr nicht zur vollen Zufriedenheit gelang, übertrug sie dem
Apotheker, den sie nebenbei auch mit den von diesem benötigten
Kräutern belieferte, woraus ihr recht beachtliche Einnahmen erwuchsen
. Sie ließ sich dadurch aber nicht zur Plünderung der Standorte
verleiten, sondern hielt mich an, jedem Kräutlein den Nachwuchs
durch Zeugung oder Wurzelung zu sichern: „Es ist nicht nur
um des Vorteils willen, es liegt auch im Willen des Schöpfers." Es

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