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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
34. Heft.1954
Seite: 79
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Am unliebsten ließ sie sich auf die Beratung von beabsichtigten
Verwandtschaftsehen ein. Wenn es aber sein mußte, wurde
sie sehr deutlich: „Ihr wißt so gut wie ich, daß es erbliche Krankheiten
gibt; ihr wißt auch, daß sich Gesundes vererbt, ihr wendet
die Erblehre aber nur bei der Viehzucht an, wenn's um Erbgut und
Erblast bei Menschen geht, dann versteht ihr unter dem Erbgut nur
Geld und sonstige Habe, und vor der Erblast drückt ihr die Augen
zu. Laßt euch sagen, daß ein Säufer anscheinend gesunde Kinder
zeugen kann, — daß aber die Trunksucht aller Voraussicht nach in
den kommenden Geschlechtern wieder auftritt; der Säufer und jeder
andere erblich Belastete schlägt also stets in die Art, nie aus ihr
heraus, übrigens handelt es sich durchaus nicht um eine Art, mit
der kurzsichtigerweise die des Vaters gemeint ist: Das Kind hat
doch auch eine Mutter, das gibt schon zwei Arten; der Großeltern
hat es vier, das gibt weitere drei Arten; der Urgroßeltern hat es
acht, das gibt abermals sieben Arten — und so fort. Von jedem Vorfahren
fließt Blut in des Kindes Adern, und in diese Arten schlägt
es. Drum können Blutsverwandte — Geschwisterkinder — unbedenklich
sich ehelichen, sofern in den Reihen der Vorfahren kein Erblastiger
steht. Dem nachzugehen ist eure Sache!"

Wie tief meine Lehrmeisterin in die Ordnung der Natur
eingedrungen war, wurde mir erst klar, als sie mit mir über die Entstehung
der Arten, worüber bereits wissenschaftlich begründete
Auslassungen vorliegen, zu sprechen kam. Nach ihrer Überzeugung,
die sich mit dem Inhalte bisheriger Veröffentlichungen deckt, ist
das Menschengeschlecht die höchste Stufe der Entwicklungsreihe
Pflanze — Tier. Kein Schriftsteller aber hat bisher festgestellt, worauf
meine Base stieß: daß in dieser Reihe ein Knick ist: „Das Tier",
so sprach sie zu mir, „ist auf einem gewissen Grade seiner Vervollkommnung
stehen geblieben, es hat die Fähigkeit des Denkens nur
in solch geringem Maße, daß ein Fortschreiten nicht festgestellt
werden kann; des Menschen Denkvermögen aber greift über die dem
Tier gegebenen Fähigkeit wesentlich hinaus. Ob der Mensch die
Entwicklungsreihe abschließt, oder ob sie in der jenseitigen Welt
fortgesetzt wird, um in der Gottähnlichkeit die wirklich höchstmögliche
Stufe der Vollkommenheit zu erreichen — wer will das
entscheiden?"

Es erübrigt noch die Frage, auf welchem Wege unser Kräuter-
weiblein zu solch hoher Vollkommenheit gelangen konnte. Es waren
mehrere: Sie schöpfte einmal aus den ihr mündlich überlieferten
Erfahrungen ihrer Lehrmeisterin, die ihrerseits wieder auf dem ihr

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