http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0147
In einem Zeugenverhör vom 25. April 1424 bekunden alte Gemeindebürger aus
Ortenberg, daß die Bannherrn die Untertanen nicht schützen und schirmen wollten
, wodurch diese in Not geraten wären. Deshalb hätten sich die Untertanen
unter den Stein (Burg) Ortenberg gestellt, d. h. unter den Schutz des Landvogtes
der Ortenau. Wann dieses geschah, konnte nicht festgestellt werden. Für diesen
Schutz entrichtete jeder Bürger 1 Schilling Schirmgeld. Von den vier Dörfern der
Stabsgemeinde liegen sonst über ihr wechselvolles Schicksal im Mittelalter keine
weiteren Nachrichten vor. Jedoch ist ihr Schicksal mit dem der Ortenau aufs
engste verflochten.
Schicksale der Ortenau
Mit dem Namen Ortenau, bis ins 15. Jahrhundert Mortenau geheißen, bezeichnet
man das schöne Gebiet zwischen der Oos und Murg im Norden und der Bleich
im Süden, zwischen Rhein und dem Kamm des Schwarzwaldes. Die Ortenau war
einst ein Großgau des alemannischen Landes, in dem die Herrschaft durch einen
Stammesherzog ausgeübt wurde. Um das Jahr 712 wurde das Alemannenland
dem fränkischen Reiche einverleibt. Das bisher selbständig regierte Gebiet wurde
zu einer staatlichen Domäne. Kaiser Karl der Große ließ sein weites Reich durch
eine Gaugrafschaftsverfassung einheitlich verwalten. In der Ortenau waltet jetzt
im Namen des Königs der fränkische Gaugraf, der höchste richterliche und militärische
Beamte. Im 12. Jahrhundert gelangte die Gaugrafschaft der Ortenau an
die Herzöge von Zähringen im Breisgau, die sie bis 1218 innehatten.
Mit der Zeit hatten sich die Gaugrafen große Rechte angeeignet. Die Grafschaften
wurden als erbliche Lehen betrachtet. Aus den erblichen Grafenfamilien
gingen die späteren Landesfürsten hervor. Die Könige, die nach altgermanischem
Recht das eroberte Land für sich in Besitz genommen hatten, vergaben solches
Land an die weltlichen und kirchlichen Großen des Reiches. Die Grundherren
erwarben auf gesetzlichem und ungesetzlichem Wege staatliche Hoheitsrechte.
Neben den alten Grafschaften bildeten sich eine Unmenge selbständiger Gebiete.
Als um 1250 die Weltmacht des glanzvollen hohenstaufischen Kaisergeschlechts
jäh zusammenbrach, folgte die „kaiserlose schreckliche Zeit". In der Ortenau fiel
man von allen Seiten auf das schöne Reichsgut der alten Gaugrafschaft her. Jeder
nahm, was er nur konnte. Die Bischöfe von Straßburg bildeten in der wirrvollen
Zeit im Renchtal die straßburgische Herrschaft Oberkirch und im Süden der
Ortenau die bischöfliche Landesherrschaft mit dem Amt Ettenheim. In der Kehler
Gegend setzte sich das elsässische Geschlecht der Herren von Lichtenberg fest. Im
oberen Kinzigtal hatten die Grafen von Fürstenberg festen Fuß gefaßt. Den
Markgrafen von Baden gelang es, im Norden der Ortenau sich weite Gebiete anzueignen
. In der südlichen Ortenau hatten die Herren von Geroldseck ein umfangreiches
Gebiet erworben und es während der kaiserlosen Zeit in eine landesherrliche
Herrschaft verwandelt. Ihr Machtbereich erstreckte sich von der Kinzigmündung
bis zur Elz. Marlen war auch einige Zeit den Geroldseckern Untertan. Durch
wiederholte Teilungen unter die Söhne und Heiratsausstattungen der Töchter mit
10 Die Ortenau
145
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0147