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empfangen sollten und ebenso später eifrig. Sie sollten pünktlich der
Predigt anwohnen, die unser Priester jeweils am ersten Sonntag jedes
Monats für sie halten wollte. Sie sollten sich auch dabei jeweils
Patrone unter den Heiligen wählen. Unter den ersten, die beitraten,
befanden sich der Markgraf mit seinem Zwillingsbruder. Nachher
folgten andere aus dem Klerus und Adel, von den Hofräten und
öffentlichen Beamten. Schließlich schlössen sich auch die besten unter
den Bürgern an."
An diesem Text aus der Chronik des Jahres 1623 ist nun manches
überraschend und auffallend. Es ist hier keine Rede mehr von irgendeiner
zunftmäßigen Bruderschaft; aus der Aufzählung der beruflichen
und sozialen Herkunft ihrer Mitglieder geht vielmehr hervor, daß
man bei der Aufnahme offenbar in erster Linie an Persönlichkeiten
aus dem Umkreis des Hofes und der markgräflichen Beamtenschaft
dachte und daß nur ganz zuletzt „die besten unter den Bürgern"
noch hinzugekommen sind.
Auch diese letztere Bemerkung ist historisch nicht ohne bezeichnende
Bedeutung. Sie deutet an, daß die Bürger, die Kaufleute und
Handwerker, sich offenbar lange sträubten, in die neue Bruderschaft
einzutreten. Und dies kann nur damit erklärt werden, daß große Teile
der Bürgerschaft, da sie weitgehend Träger der Reformation gewesen
waren, sich nicht so rasch „gleichschalten" ließen, als der Markgraf
seine ziemlich diktatorischen gegenreformatorischen Maßnahmen
durchführte. Ob diejenigen, die sich „schließlich anschlössen", nun
gerade „die besten unter den Bürgern" waren, kommt wohl darauf
an, was man unter den „Besten" versteht. Es werden diejenigen gewesen
sein, deren Gewerbe in besonders naher Beziehung zur Hofhaltung
gestanden sein mag . . .
Auf jeden Fall steht fest, daß in den über hundert Jahren seit der
letzten urkundlichen Nachricht über die Bruderschaft in der Stiftskirche
sich ein Wandel vollzogen hat. Das ist ohne weiteres wahrscheinlich
und glaubhaft: liegt doch zwischen jenem Jahr 1501 und
1623 die Zeit, in welcher die markgräflichen Untertanen wiederholt
mit ihren Fürsten den Glauben wechselten, Jahrzehnte, in denen der
neue Glaube, wenn auch nicht völlig — wie in Baden-Durlach —, so
doch weitgehend unter der Bürgerschaft von Baden-Baden und auch
in der Markgrafschaft herrschend war.
Jenen früheren Zustand aber wiederherzustellen war das eifrige,
ja, eifernde Bestreben des Markgrafen Wilhelm. Und deshalb war es
eine seiner ersten gegenreformatorischen Aktionen, wieder eine
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