http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0047
Die Revolution von 1848/49
Der Funke, der den politischen Zündstoff in Flammen setzte, flog von Frankreich
ins Grenzland herüber. Dort hatte die Revolution im Februar 1848 an Stelle
des Königtums die Republik gesetzt. Das war für die erfolgreiche demokratische
Bewegung in Baden die Veranlassung zum Aufstand.
Die Bürger unserer Gemeinde nahmen auch lebhaft teil an diesen Volkserhebungen
. Der revolutionäre Geist fand hier leichten Boden infolge der Unzufriedenheit
, hervorgerufen durch die Armut eines beträchtlichen Bevölkerungsteiles
, der großen Teuerung in den Jahren 1846 und 1847. Auch die 1845 erfolgte
Ablösung des Pfarrzehnten spielte dabei eine Rolle. Dazu schreibt Pfarrer Merk:
„Die pfarramtliche Besoldung, nämlich die so lange bekämpfte Zehntkapitalzinse,
sind fast nicht mehr einbringlich und muß nach 15 bis 18 Monaten langem Zuwarten
durch Klagemittel errungen werden."
Zu den politischen Zuständen in Marlen äußert sich Pfarrer Merk: „Seit der
demokratischen Wühlerei ist es in Marlen fast nicht mehr zu leben. Diese Klasse
der Wühler wird immer stärker und frecher und verhöhnt jede Ordnung und
Moralität. Schon sind zwei äußerst Radikale im Gemeinderat, einer im Stiftungsvorstand
. Die Jugend wird himmelschreiend verdorben, indem sie nichts hört als
Schimpfereien und Lästerungen über Kirche und Staat." Der alte Merk mußte am
23. Februar 1847 nach Schwarzach flüchten, „um Gesundheit und Leben zu retten".
Der demokratische Führer in der Gemeinde war vor allem Adlerwirt Georg
Krämer, der 1845—1848 als Abgeordneter für Mannheim der Zweiten Kammer
des Badischen Landtages angehörte und ein Freund Heckers war. Im Adlerwirtshause
fanden die Zusammenkünfte der Demokraten statt. Lehrer Spindler,
der ein guter Redner war, las die Kammerberichte vor. Begeistert lauschten die
Zuhörer den markigen Worten der beiden Volksmänner. Und wenn die jungen
Leute die Freiheitslieder sangen, erreichte die Begeisterung ihren Höhepunkt.
Am 19. März 1848 fuhren viele Bürger aus unserer Gemeinde auf Leiterwagen
zu der großen demokratischen Volksversammlung. Mit Jubel wurden die feurigen
Reden von Hecker und Struwe aufgenommen. Hecker, der Obmann des demokratischen
Landesvereins, war von da an der gefeiertste Mann im Volke. Man
pflanzte sich Heckerbärte, trug Heckerabzeichen, rote Strümpfe und sang das
Heckerlied. Von einem ordnungsgemäßen Leben konnte in unserer Gemeinde nicht
mehr die Rede sein. Das beleuchtet ein Eintrag ins Gemeindeprotokollbuch vom
29. Mai 1848: „In der Zeit der allgemeinen Erregtheit und beinahe aufgelöster
Ordnung wurde und konnte keine ordentliche Ratssitzung mehr gehalten werden.
Selbst eine am 22. März angeordnete Gemeindeversammlung wurde, nachdem die
Bürgerschaft schon versammelt war, durch mehrere unzufriedene Bürger hintertrieben
und gänzlich vereitelt."
Einige Tage nach der Offenburger Versammlung verbreitete sich durch das ganze
Land das wilde Gericht „die Franzosen kommen".
Bald aber klärte sich die Ursache des Franzosenlärms auf. Der deutsche Dichter
Herwegh hatte in Paris eine demokratische Legion gebildet aus deutschen Hand-
45
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0047