Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
39. Heft.1959
Seite: 223
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1959/0225
Zuschauer da waren, bei dem Gedanken fuhr, daß das Militär auf den Thurm
heraufkomme u. die Unschuldigen wie die Schuldigen als Rebellen behandle.
Der Prozeß gegen dergleichen Leute war kurz, man schoß sie geradenwegs nieder.
Einem Schneider, der ein bischen zu weit unter seiner Thüre vorsah, ging z. B.
ein Schuß zum rechten Aug hinein u. zum linken heraus(!); ein anderer Zuschauer
flüchtete sich in die Nische einer Hausthüre in der Jesuitengasse, als die Soldaten
ihn sahen, wurde er gleich zusammengeschossen; vor dem Breisacher Thor erwischten
die Soldaten einen Freischärler, den sie in der Wuth mit Gewehrkolben
tod schlugen; ein Polizeidiener, der im Rathaus gemüthlich am Fenster saß, bekam
einen Schuß, daß sein Hirnschädel in mehrere Stücke zerfiel; eine Frau u. Tochter,
die aus ihrem Zimmer auf die Soldaten schössen, wurden niedergehauen; eine
andere Frau, die hinter den Jalousieläden stund, wurde von einer Kugel gänzlich
durchbohrt. Amtschirurg Dr. von Wänker war vor seinem Haus, als der lte Kartätschenschuß
ihm ein Stück vom Hintern wegriß.

Meine Leute waren beim Beginn des Spektakels in der Wohnstube; eine der ersten
Kanonenkugeln prallte am Fenstergesims an, u. eine andere riß fast das Altanengestell
weg; das Gekrach des Hauses war so arg, daß sie in der Angst des Einsturzes
sich mit allen Hausleuten in den gewölbten Keller flüchteten.
Beinahe jedermann hatte in eigener Weise seine Todesangst, weil bereits kein Haus
ist, in welches nicht Kanonen oder Kartätschen oder Flintenkugeln drangen.
Nach dem Sturm u. besonders am Dienstag wurden eine Masse von Verhaftungen
vorgenommen; es sitzen jetzt beinahe 240 Individuen! Eine gemischte Commißion
von 2 Auditoren u. 5 Civilbeamten ist zur Untersuchg. der traurigen Catastrophe
niedergesetzt; ich war am Mittwoch gleichfalls zur Commißion gezogen, blieb
aber seitdem weg, weil das Geschäft nicht viel Dank säen wird.
Meine Absicht, am 1. Mai in Kenzingen aufzuziehen, ist vereitelt; ich erhielt von
der Regierung den Auftrag, unverzüglich die Amtsverwesung im Landamt
zu übernehmen und konnte durch eine Weigerung die Herren nicht vor den Kopf
stoßen, hoffentlich wird die Verweserei nicht lange dauern.

Die Stadt ist noch immer mit Truppen besetzt; der Alexander (jüngerer Bruder
seiner Braut) aber ist nicht hier; sein Regiment muß in Kenzingen oder Breisach
seyn; jedenfalls dürft Ihr keine Besorgniß um ihn haben, weil die Rekruten noch
nie ins Treffen kamen, sondern erst exerziert werden müßen. Uebrigens wird
fast täglich mit den Regimentern changirt, heute kommen sie, morgen gehen sie
u. kommen wieder andere statt ihrer, u. wohin es geht, wissen sie allemal selber
nicht. — Heute war große Parade vor dem Prinzen Friedrich von Würtemberg;
er ist ein hübscher Mann, in den 40 Jahren, mit hellblauer Uniform, goldenen
Epauletts, schwarzem Federhut, u. ritt einen Rappen; in seinem Gefolg waren
ca. 30 Generale, Adjutanten xx — 50 Compagnien aller Waffengattungen
defilierten. —

Vor 14 Tagen werde ich schwerlich von hier abkommen.

Louis.

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