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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 140
(PDF, 128 MB)
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noch waren es in der Regel keine größeren geschlossenen Gebietskomplexe, die auf
diese Weise in der Hand der Herrscher vereinigt wurden. Einerseits blieb der
Besitz der freien Bauern in der Regel wohl von dem königlichen Aneignungsrecht ausgeschlossen
und bestand, wenn auch in allmählich sich wandelnden Formen9), weiter
fort, andererseits begann sich schon in der Karolingerzeit auf Kosten des reichlich
verschenkten Königsgutes ein Großgrundbesitz geistlicher und weltlicher Herren
herauszubilden, der teils auf gesetzlichem, teils auf ungesetzlichem Wege allmählich
immer mehr staatliche Rechte für sich beanspruchte und dadurch eine Bresche in
das System der fränkischen Grafschaftsverfassung schlug. Ihren gesetzmäßigen
Ausdruck fand diese Abbröckelung der staatlichen Hoheitsrechte in dem Begriff
der Immunität, durch den die Amtsgewalt der Grafen in den für „immun"
erklärten grundherrschaftlichen Gebieten zuerst eingeschränkt, später ganz ausgeschaltet
wurde. Die ausgedehnten kirchlichen Besitzungen erfreuten sich der Immunität
meist schon in früher Zeit10). Die Hintersassen der betreffenden Grundherrschaft
waren dadurch gegen unmittelbare Belangung durch den ordentlichen Richter,
den Grafen, geschützt und unterstanden dem Immunitätsgericht, das der vom
Grundherrn ernannte Vogt leitete. Die Ausdehnung der vogteilichen Rechte auf die
im Bereich der Grundherrschaft ansässigen freien Leute und die benachbarten Hintersassen
fremder Grundherren war nur eine Frage der Zeit und eine natürliche
Folge der Streulage, in die der große Grundbesitz fast ausnahmslos zersplittert
war ").

Am Ende dieser Entwicklung standen die V o g t e i e n als gleichberechtigte
Hoheitsbezirke neben den alten Grafschaften. Daß den letzteren daraus die empfindlichsten
Einbußen erwuchsen, liegt auf der Hand, aber in vielen Fällen wußten
die gräflichen Familien diesen Verlust auszugleichen, indem sie die Kirchenvogteien
als Lehen mit ihrer Grafschaft vereinigten. Was die Staatsgewalt an Hoheitsrechten
verlor, ging auf diese Weise an die großen Geschlechter über und verstärkte die
Tendenzen der territorialen Machtentwicklung. Es lag ja auch in der Natur der
Dinge begründet, daß die Kirche, die als solche nach den kanonischen Grundsätzen
die Blutgerichtsbarkeit nicht selbst ausüben konnte, bei der Übertragung der Vog-
teien die angesehensten Großen der Nachbarschaft bevorzugte, die als Inhaber
großen Grundbesitzes und gräflicher Rechte die Wahrung der vogteilichen Autorität
und in Notfällen den Schutz der kirchlichen Güter verbürgten. Daß diese mächtigen
Vögte ihre Stellung häufig nicht zum Nutzen, sondern zum Schaden der
Kirchen verwalteten, nimmt nicht wunder, aber eben die Differenzen, die sich fast

9) Sehr häufig fand Auftragung freien Gutes an eine Kirche statt mit Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung
oder sonstigen einschränkenden Bedingungen. Wir haben für die Ortenau einen solchen Fall aus dem
Jahre 861, in dem die Brüder Thethart und Bubo ihren Besitz „in pagello Morinauginse" dem Kloster St. Gallen
überlassen. UB. v. St. Gallen II 386.

10) Für die Ortenau haben wir Zeugnisse aus dem 9. Jahrhundert. Der ortenauische Besitz des französischen
Klosters St. Denis genießt Immunität i. J. 866, Württemb. UB. I 166, Nr. 141. Das Kloster Schultern
scheint um 877—880 die Immunität erlangt zu haben, vgl. in der Ausgabe der Mon. Germ, die Vorbemerkung
zu der Bestätigungsurkunde Heinrichs II, DH. II 209.

11) So ist es durchaus charakteristisch für die mittelalterlichen Besitzverhältnisse, daß auch weit entlegene
kirchliche Anstalten in der Ortenau begütert waren, St. Denis (siehe oben Anm. 10), St. Gallen (siehe oben
Anm. 9), Chur i. J. 961, DO. I 224, Peterlingen i. J. 998, DO. III 273.

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