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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 224
(PDF, 128 MB)
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Bevölkerung so allgemein, daß viele den Huldigungseid verweigerten und erst durch
die Drohung mit bewaffneter Gewalt zur Anerkennung der neuen Landesherrschaft
gezwungen werden konnten. Die hessische Herrschaft, die nun bis zum Ende des
Jahrhunderts über dem Hanauerland waltete, hat nie große Volkstümlichkeit erlangt
; die Verwaltungsmaßnahmen, die vom grünen Tisch zu Darmstadt oder Pirmasens
ergingen, waren vom Geruch der Fremdherrschaft nicht ganz frei, und einzelne
launenhafte Ausschreitungen des absolutistischen Regiments trugen dazu bei,
unzufriedene Stimmungen bis zum Ausbruch der Französischen Revolution zu nähren
. Mußten doch, um nur ein Beispiel zu nennen, für die Soldatenliebhaberei75) der
„langen Kerls", die in Pirmasens nach Potsdamer Muster gepflegt wurde, alle Gemeinden
neben den gewöhnlichen Abgaben noch die sogenannten Soldatengelder
aufbringen, die im Lauf der Zeit eine erkleckliche Summe ausmachten. Daß durch
diese und ähnliche Lasten die wirtschaftliche Lage der Untertanen sehr ungünstig
beeinflußt wurde, erweist der sehr starke Trieb zur Auswanderung; in den Orten
Freistett, Neufreistett und Memprechtshofen betrug die Zahl der Auswanderer
innerhalb eines einzigen Jahres (1771) nicht weniger als 166 Köpfe.

Auch die nassauische Regierung in der Herrschaft Lahr geriet um diese Zeit in
heftige Konflikte mit den Untertanen. Die Herrschaft des Hauses Nassau konnte
zwar nicht in gleichem Maß wie die darmstädtische im Hanauerland als Fremdherrschaft
angesehen werden, da sie schon bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts
zurückreichte und nach vorübergehender Verpfändung der Herrschaft an Baden-
Durlach (1659) der alte Zustand im Jahre 1727 wiederhergestellt worden war. Auch
wurde die Regierung im allgemeinen milde und mit so viel landesväterlicher Sorgfalt
gehandhabt, daß die Untertanen, besonders in den friedlichen Zeiten seit der
Mitte des 18. Jahrhunderts, wenig Grund zur Klage haben mochten. Aber die weite
Entfernung des Landesherrn ließ doch auch hier gelegentlich einen Widerstand gegen
die Maßnahmen der herrschaftlichen Beamten hervorkeimen, der im Jahr 1772 zu
einer fast revolutionären Bewegung führte, als die Stadt Lahr ihr altes, lange nicht
mehr geübtes Bürgermeisterwahlrecht wieder geltend machte und gegen die von der
Regierung angeordneten Neuwahlen beim Reichskammergericht Berufung einlegte.
Nassau wußte sich nur durch eine bewaffnete Exekution zu helfen, durch die mit
Gewalt die Ordnung in der Stadt wiederhergestellt wurde. Aber der Geist des
Widerstandes war damit nicht gebrochen, und die Erbitterung der Bürgerschaft entlud
sich in einem Schwall von Reichskammergerichtsprozessen, die zum Teil nach
langen Jahren zugunsten der Stadt entschieden wurden, dafür aber auch das Gemeinwesen
mit einer Schuldenlast von 150 000 Gulden beschwerten.

Einer sorgfältigeren und wirksameren Verwaltung als die unter dem Szepter so
weit entlegener Herrscherhäuser befindlichen Territorien von Hanau-Lichtenberg
und Lahr erfreuten sich die Lande des fürstenbergischen Hauses, das seinen Besitz
im oberen Kinzigtal, das alte Uracher Erbgut, durch allen Wechsel der Zeiten fest-

gicrung der Grafschaft Hanau-Lichtenberg anzutreten habe und diese ein von den übrigen hessischen Ländern
unabhängiges Besitztum bilden sollte. Buchsweiler blieb der Sitz der hanau-lichtenbergischen Regierung, dei
Rentkammer und des Konsistoriums.

») Siehe „Ortenau" 37. Heft 1957, S. 82—105.

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