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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 227
(PDF, 128 MB)
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Vorstellung davon machen, wieviel Zeit und Kraft für die Interessen dieser dem
deutschen Wesen so besonders entsprechenden Kirchturmpolitik unnütz geopfert
worden ist. Das Reich als solches, ein kolossales Mosaik aus kleinen und kleinsten
Teilchen, war längst zu politischer Untätigkeit verurteilt. Die Stürme der Französischen
Revolution und des napoleonischen Zeitalters, die um die Wende des 18. und
19. Jahrhunderts Europa durchbrausten, fegten es endgültig vom Erdboden hinweg.
Nur was in den größeren territorialen Gebilden an lebenskräftigen Keimen vorhanden
war, konnte diese Krisis überdauern und in veränderten Formen einer neuen
Zukunft entgegengehen. Die Ortenau, schon längst kein geschlossenes Ganzes mehr,
sondern ein mißgestaltetes Gefüge aus territorialen Splittern gleich dem Reich selber,
war in dieser Form zum Untergang bestimmt und mußte ihr politisches Eigenleben,
soweit es noch in der Landvogtei und der Ritterschaft wenigstens dem Namen nach
bestand, den Interessen eines größeren Ganzen aufopfern, dem die kommende Zeit
gehörte. Wir treten damit in die letzte kurze Periode der Ortenauer Geschichte ein.

V. Die Französische Revolution und der Übergang der Ortenau an Baden.

„Hier unter diesem Bogen Ist die Lerch dem Lilienfelde zugeflogen", so stand in
tiefgefühlter Poesie auf einem zu Herbolzheim errichteten Triumphbogen zu lesen,
als im Jahre 1770 die österreichische Kaisertochter Antonia, die dem französischen
Dauphin zur Gattin bestimmt war, durch die oberrheinischen Lande ihren Weg in
die neue Heimat nahm. Ihre Reise glich einem Triumphzug, zu dem schon monatelang
vorher die Regierungen aller von der Marschroute berührten Territorien die
umfassendsten Vorbereitungen trafen. Bereits 1769 hatte die Regierung der badischen
Markgrafschaft als Lehensinhaberin der Ortenau von Wien den Wink erhalten,
für Anlegung guter Straßen durch die Landvogtei nach Straßburg zu sorgen. Der
Bau der sogenannten Dauphinestraße wurde auch von Baden alsbald begonnen und
glücklich zu Ende geführt, obwohl — bezeichnend genug für den Jammer der Kleinstaaterei
— die Stadt Straßburg und die hessische Regierung die Gelegenheit benutzten
, um alte Ansprüche auf die Landeshoheit über einige Hofgüter bei Goldscheuer
, die von der Straße durchkreuzt werden sollten, in langjährigen Prozessen
wieder geltend zu machen. Auf dieser Dauphinestraße gelangte Marie Antoinette
am 7. April 1770 von Schuttern, wo sie ihre letzte Nacht auf deutschem Boden verbracht
hatte79), nach Kehl. Es war eine von dem jungen Goethe vorausgeahnte Ironie
der Geschichte, daß das auf der Rheininsel bei Kehl zum Empfang des Brautzuges
errichtete Prunkzelt auf seinem gewirkten Teppichschmuck Bilder aus der blutrünstigen
Jasonsage aufwies als würdigen Gruß Frankreichs für die neue Kronprinzessin
, deren Haupt zwei Jahrzehnte später unter dem Beil des Pariser Henkers
fallen sollte.

Die revolutionäre Bewegung, die im Jahre 1789 von der französischen Hauptstadt
ihren Ausgang nahm, fand auch am Oberrhein rasch einen kräftigen Widerhall.
Straßburg hatte seine Revolution im kleinen: Wie in Paris die Bastille, so wurde

79) Vgl. A. Kupfcrschmid, Die letzte Nacht der Marie Antoinette auf deutschem Boden. In: „Ortenau" 22
(1935), S. 49—64.

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