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begründete, war der weiteren Ausdehnung der Zigarrenindustrie förderlich. Mitte
der siebziger Jahre zählte die badische Tabakindustrie 11 750 Arbeiter. Von großem
Einfluß auf die weitere Entwicklung waren die schutzzöllnerischen Maßnahmen
ausgangs der siebziger Jahre, die eine Erhöhung des Einfuhrzolls auf Rohtabak
brachten. Dadurch wurde besonders die norddeutsche Zigarrenindustrie, die
nur Auslandstabake verarbeitete, stark betroffen, was der süddeutschen Industrie
zugute kam, die billigere Arbeitskräfte hatte und nicht so sehr auf den Import
ausländischer Rohtabake angewiesen war. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges
erlebte die Zigarrenindustrie eine kurze Blüte, die mit der Inflation jäh abbrach.
In der Tabak- und Zigarrenindustrie ist seit etwa drei Jahrzehnten eine merkbare
Umschichtung zu beobachten. Die Entstehung zahlreicher Kleinbetriebe lag
in der Natur der Sache, da die Arbeit, wie oben bemerkt, in erster Linie Handarbeit
ist. Die Anlage einer kleinen Fabrik erfordert deshalb keine größere Kapitalanlage
für maschinelle Einrichtungen. Es war für qualifizierte Arbeiter früher nicht
schwer, einen eigenen Betrieb zu eröffnen. Infolge der hohen Besteuerung der
Tabakfabrikate, der Geldknappheit und der Absatzschwierigkeiten hat sich nach der
Inflation die ungenügende Kapitalausstattung hinderlich bemerkbar gemacht. Die
kleinen Fabriken erlagen der Konkurrenz der großen, mußten für fremde Rechnung
arbeiten oder gingen ein. Es war nötig, die Unternehmungen auf eine breiterefinanzielle
Basis zu stellen. So suchte die Industrie in der Änderung der Rechtsform der Unternehmungen
und deren Vergesellschaftung einen Ausweg. Während noch 1921 in
Baden die Zahl der von Aktiengesellschaften und Gesellschaften m. b. H. betriebenen
Fabriken erst etwa 60 betrug, befanden sich zum Sommerende 1924 bereits
118 badische Fabriken in den Händen solcher Kapitalgesellschaften. Diese Entwicklung
, auch bei der deutschen Zigarettenindustrie zu beobachten, gehört jedoch
so sehr der wirtschaftspolitischen Entwicklung ganz Deutschlands an, daß sich
eine Wirtschaftsgeschichte der Ortenau mit nur kurzer Andeutung begnügen muß.
Da die Zigarrenfabikation auf Handarbeit angewiesen ist, sah sich die Industrie
früh gezwungen, Betriebe dort zu eröffnen, wo Arbeitskräfte billig und in genügender
Zahl zu erhalten waren. Die Industrie drängte hinaus auf die Dörfer.
Weithin in der Ortenau finden sich in den Dörfern die Zigarrenfabriken, teilweise
sind diese so zahlreich und liegen so dicht beieinander, daß der Tabak durch Anbau
und Verarbeitung zum beherrschenden Arbeitssymbol wird. Ohne Übertreibung
kann man von Zigarren- und Tabakdörfern sprechen. 1925 waren in den
ortsansässigen Fabriken der nachstehenden Gemeinden als Zigarren- und Tabakarbeiter
tätig:
Gemeinde
Personen in
Einwohner
Hundertteilen der
Erwachsenen
... . . . 25,5
39,8
......• 34,0
51,0
Reichenbadi......
...... 26jb
39,9
Rust.........
......32,3
48,4
288
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